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Blumenstrauß Sprachkurs und viel praktische Hilfe

Mit Herz und Tatkraft hilft Hannelore von Baehr in Gardelegen Flüchtlingen und erhält dafür den Blumenstrauß des Monats.

Von Petra Hartmann 10.06.2017, 03:00

Gardelegen l „Der Vogel sitzt im Bauer und singt ein Lied.“ „Der Bauer fährt mit dem Traktor und pflügt ein Feld.“ Im Büro der Diakonie sitzen fünf Frauen zusammen und arbeiten sich an den Ecken und Kanten der deutschen Sprache ab. Sie sprechen Polnisch, Rumänisch, Arabisch, auch Russisch und Persisch gehören zu den Sprachen von Hannelore von Baehrs Gruppe. Ein wenig zählen kann sie schon auf Farsi: „Schak, do, se, schar, pansch“, sagt sie langsam die Zahlen von eins bis fünf auf. „Ich mache das hier nicht wie ein Lehrer, weil ich ja gar kein Lehrer bin“, meint sie.

Es geht um das tägliche Leben, ums Einkaufen, ein paar Sätze aufschreiben, Arztbesuche, Gänge zum Jobcenter und zur Arbeitsagentur, auch um all das, was sonst noch auf die Menschen einstürzt. Da fährt sie auch schon mal einen ihrer Schützlinge nach Salzwedel, wo er einen Fingerabdruck abgeben soll. Am Donnerstag war sie mit einer schwangeren Frau im Krankenhaus. Zwei Stunden Warten auf den Narkosearzt. Am späten Nachmittag begann der Deutschkurs für ihre Schüler. Gestern erneut eine Fahrt nach Salzwedel mit einem der Flüchtlinge, leider vergebens und kein Einzelfall: „Diese weiten Wege zur Kreisverwaltung nach Salzwedel – und dann kommt man hin, und da ist die Kollegin, die das bearbeitet, nicht da ...“ Überhaupt, die Behörden: „Das Absurdeste ist, wenn man einen Antrag stellen muss, um einen Antrag zu stellen“, sagt sie.

Aber das ist nichts, das die 76-Jährige aufhalten kann. Mit viel Energie und genau so großer Hilfsbereitschaft und Menschenliebe geht die Gardelegerin auf Männer, Frauen und Kinder zu und kümmert sich um ihre Probleme. „Hannelore, Hannalira, Hannele“, klingt es ihr entgegen, wenn sie in die Bahnhofstraße kommt und die Kinder sie begrüßen. „Die Kinder sind alle sehr höflich, sagen ‚bitte‘ und ‚danke‘, alle sind sehr gut erzogen“, sagt sie.

Die Menschen, die sie betreut, stehen praktisch vor dem Nichts, fast alles fehlt ihnen, Möbel, Bekleidung, Heimat. „Die sind ja nicht freiwillig gegangen“, betont Hannelore von Baehr. „Wenn man die Kinder hört, wenn sie von den Erlebnissen auf der Flucht berichten ... sie sind zu Teil traumatisiert“, erzählt sie. Umso wichtiger ist ihr zu helfen. „Es wird alles so dankbar angenommen, sie drücken mich, es macht mir sehr viel Freude. Ich habe den Eindruck, dass alle, die mich kennen, Vertrauen zu mir haben.“

Ihr Mann Johann-Christian, der aus Königsberg stammt, hat am eigenen Leib erfahren, was Flucht und Vertreibung aus der Heimat bedeuten. Auch er unterstützt die Arbeit für die Flüchtlinge, vor allem durch die Reparatur von Fahrrädern. Auch auf dem Hof der Familie waren die Asylbewerber bereits zu Gast. Da gab es vor allem für die Kinder viel zu entdecken, besonders begeistert waren sie von den Kaninchen, der Katze und den Fischen. Viel Kraft gibt ihr für die Arbeit auch ihr christlicher Glaube. „‚Ich wünsche mir, dass alle Menschen mehr aufeinander zugehen.“

In der Flüchtlingshilfe engagiert sich die Gardelegerin seit dem Sommer 2015. Sie hatte gehört, dass noch Hilfe gebraucht wird, und erkundigte sich, welche Voraussetzungen man denn als Helfer haben müsste. „Eigentlich gar nichts – nur Lust und Liebe“, hatte Christina Dietmann, die sich im Auftrag der Diakonischen Flüchtlingshilfe des Kirchenkreises Salzwedel um die Flüchtlinge im Bereich Gardelegen kümmert, geantwortet. Seitdem ist von Baehr mit dabei. „Ihre Arbeit bei uns ist mittlerweile nicht mehr mit Gold aufzuwiegen“, sagt Dietmann, die von Baehr auch für den Blumenstrauß des Monats vorgeschlagen hatte.

Beim Deutschkurs im Diakonie-Büro sind bis zu zehn Teilnehmer mit dabei. Grammatik ist schwer, den vertrackten deutschen Artikeln ist mit Logik nicht beizukommen. Warum sitzt ein Vogel im Bauer, wenn der Bauer auf dem Traktor sitzt? „Das Lesen geht schon, das Sprechen auch, aber im Kopf muss man es erst noch zusammen bekommen“, sagt die Lehrerin.

Dann ergreift Mariana Buciumanu aus Rumänien das Wort: „Hannelore ist eine wunderschöne Person und hat eine große Herz für alle Menschen und helfen. Wenn etwas hast, was du nicht verstehen, sie helfen“, sagt sie. Ganz flüssig und ohne Vokabeln nachzuschlagen.

 

Kennen, Sie, liebe Leser, auch einen Menschen, der nicht lange nach Lohn und Gegenleistung fragt und einfach mit anpackt, wo Hilfe benötigt wird? Dann schlagen Sie ihn oder sie doch für den Blumenstrauß des Monats vor. Nominieren Sie Ihren Ehrenamtlichen des Monats unter Telefon 03907 / 80 69 26 oder per Email an redaktion.gardelegen@volksstimme.de. Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge.