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Buch Zwischen Ostalgie und Ironie

In seiner Freizeit ist der Letzlinger Andreas Staeck als Autor tätig. Nun ist sein erstes Buch über den DDR-Alltag erschienen.

Von Antonius Wollmann 27.08.2016, 03:00

Letzlingen l Eines muss man Andreas Staeck lassen: Für sein literarisches Debüt hat sich der Letzlinger ein durchaus kontroverses Thema ausgesucht. Überschrieben mit dem Titel „Ostdeutsche Geschichte(n) – Neue Enthüllungen über ein Land vor unserer Zeit“ betrachtet der 53-Jährige, der hauptberuflich in der Erdöl- und Erdgasförderung arbeitet, in 26 Kapiteln den Alltag in der ehemaligen DDR aus seiner ganz persönlichen Sicht. Im März ist es im österreichischen Novum-Verlag erschienen. Zuvor hatte er bereits einige Geschichten in der Satirezeitschrift „Eulenspiegel“ veröffentlicht. Da droht stets die Gefahr, entweder als unverbesserlicher Ostalgiker oder aber notorischer Nörgler abgekanzelt zu werden.

Im Falle von Andreas Staeck liegt die Wahrheit irgendwo zwischen den Polen der unkritischen Verklärung und der schonungslosen Abrechnung. Es liege ihm fern, die DDR in Gänze zu verdammen, sagt er: „Ich finde, dass es erlaubt sein sollte, auch auf die positiven Seiten dieses Staates schauen zu dürfen. Ostalgie ist für mich ein schönes Gefühl.“

Er spricht dabei aus der Perspektive eines Menschen, der die restriktiven Seiten des Systems am eigenen Leibe nicht kennen gelernt hat. Aufgewachsen im Harz-Vorland als Sohn eines Schuldirektors, studierte er nach dem Abitur Militärökonomie in Berlin und stieg in der Nationalen Volksarmee bis zum Rang eines Oberleutnants auf, eckte also nie bei den Autoritäten des Systems an. Auf die Idee, sich im Nachhinein als Dissident zu stilisieren, kommt er nicht. „Ich war sicherlich kein Oppositioneller und habe die deutsche Einheit nicht aktiv vorangetrieben“, sagt Andreas Staeck über sein Leben vor der Wende.

Dennoch sei es ihm bewusst, dass sein Buch in der DDR in dieser Form wahrscheinlich nie erschienen wäre. Eine unkritische Glorifizierung sei nicht sein Ziel. „Ich versuche, meine Erinnerungen und Erlebnisse ironisch zu brechen und die DDR so aufs Korn zu nehmen“, erklärt der Autor seinen Ansatz. Dafür wählt bewusst einen spitzen, polemischen Stil. Der funktioniert etwa beim Kapitel über die Versammlungskultur in der DDR sehr gut, wenn er über endlose Diskussionen berichtet, deren Sinn sich keinem Teilnehmer erschließen wollte, weil das Ergebnis bereits im Vorfeld feststand.

Ebenso so amüsant geraten die Passagen über das Elend der Studenten, die ihre Zeit in offenbar sterbenslangweiligen Vorlesungen über den Marxismus-Leninismus verbringen mussten.

Gekonnt schreibt er außerdem über die staatlich vorgeschriebenen Jubelarien. So heißt es in dem Kapitel über „Sozialistische Handarbeit“: „Es mag in der DDR an vielem gemangelt haben: an Bananen, an Dienstleistungskultur, den richtigen Beziehungen oder Reiseprospekten für Nordamerika. Aber niemals an Beifall. Beklatscht wurden nicht nur die grandiosen Ostrocker. Sondern alles, was systemkonform war. Also vor allem Bullshit. Anhaltend, lang anhaltend oder andauernd stürmisch.“

Was dem Autor hingegen weniger gelingt, ist der Versuch, stets die Brücke in die Gegenwart zu schlagen, weil für ihn „vieles, was an der DDR gestört hat, heute noch aktuell ist“. Etwas zwanghaft wirkt es dagegen, stets Parallelen zwischen DDR und dem wiedervereinigtem Deutschland zu ziehen. Da hilft auch alle Ironie nicht weiter.

Insgesamt ist ihm dennoch ein lesenswertes Buch für all jene geglückt, die in der DDR aufgewachsen sind und sich gerne der Nostalgie hingeben. Wer hingegen seine Probleme mit dem Staat und seinem politischen System hatte, empfindet das Buch wahrscheinlich an einigen Stellen als zu unkritisch. Wer nie gerne Pionier war oder zur FDJ gegangen ist, wird allein schon mit der Widmung am Beginn seine Probleme haben, richtet sie sich doch an alle ehemaligen Mitglieder der beiden Organisation.

„Meine Zielgruppe sind sicherlich alle, die zwischen 1955 und 1975 geboren worden und damit das System noch richtig kennengelernt haben“, sagt Andreas Staeck.

Im November stellt der Autor sein Werk in der Gaststätte „Zur Hirschburg“ in Letzlingen übrigens persönlich während einer Lesung vor. Zuvor ist er auch auf der Buchmesse in Frankfurt zu Gast. Die „Ostdeutschen Geschichte (n)“ sind mittlerweile ebenfalls im Bestand der Gardeleger Bibliothek zu finden.