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Buchlesung Von der Stewardess zur Wolfsexpertin

Elli H. Radinger, die Freitagabend in Gardelegen las, ist ausgewiesene Wolfsexpertin, hat aber Verständnis, dass Menschen Angst haben.

Von Cornelia Kaiser 21.11.2016, 20:00

Gardelegen l Sie freue sich außerordentlich, dass auch viele Männer gekommen seien, sagt Elli H. Radinger beim Blick durch die voll besetzte Gardeleger Bibliothek, wo sie auf Einladung des dortigen Fördervereins und im Zuge des bundesweiten Vorlesetages auftritt. Denn obwohl ihr Hauptthema, das Leben der Wölfe, nichts Frauenspezifisches sei, würde der Anteil der weiblichen Zuhörer bei ihren Lesungen oft überwiegen, so die Wissenschaftlerin und Autorin aus Wetzlar, die schon mehrere Fachbücher veröffentlicht hat, inzwischen aber auch vermehrt Romane schreibt.

Einen Großteil ihrer Zeit verbrachte sie bislang allerdings nicht in ihrer hessischen Heimat, sondern in der amerikanischen Wildnis. Sie hat dort an verschiedenen Wolfsprojekten mitgearbeitet, hat Reisegruppen auf die Spuren der Isegrims gebracht – und diese in langen Zeiträumen im Yellowstone-Nationalpark beobachtet.

Und damit soll nun Schluss sein? „Ja“, sagt Radinger mit Vehemenz in der Stimme, „wenn die anfangen, die Wölfe abzuknallen, dann bin ich endgültig weg!“ Die Gefahr bestehe durchaus. Denn außerhalb des Nationalparks seien Wölfe bereits von der Artenschutzliste gestrichen. Und der künftige Präsident Donald Trump sei ja als Waffenfreund bekannt. Insofern stehe da noch mehr zu befürchten, so die Wolfsexpertin.

Doch wie ist sie überhaupt dazu gekommen, sich dieser Spezies zu widmen? Sie sei schon immer von Schäferhunden fasziniert gewesen, sagt sie. Dadurch sei auch das Interesse an Wölfen entstanden. Auf dem Weg zur Expertin „bin ich tausend Umwege gegangen, aber es hat sich gelohnt“. Denn längst lebe sie ihren Traum, so die Frau mit dem fesselnden Erzählstil.

Ihre berufliche Laufbahn begann sie, die schon immer die Welt kennen lernen wollte, als Flugbereiterin. Wegen der Kopfbedeckung wurden sie und ihre Kolleginnnen gern Rotkäppchen genannt. „Rotkäppchen und der Wolf – es war wie eine Vorsehung“, sagt Radinger lachend. Später studierte sie Jura und wurde Anwältin. Doch die Arbeit füllte sie nicht aus. Und als ihr jemand im Zuge eines Scheidungsverfahrens das Streitobjekt, einen Fernseher, durchs geschlossene Fenster warf, hatte sie endgültig genug und begann wieder, die Welt zu entdecken.

„Ich wollte irgendwas mit Wölfen machen“, erinnert sich Radinger. Und sie fragte in einem Wolfspark im amerikanischen Bundesstaat Indiana nach einem Praktikumsplatz. Der deutschstämmige Chef habe damals erklärt, dass nicht er derjenige sei, der darüber zu befinden habe. „Das entscheiden die Wölfe.“ Und so habe sie quasi ein „Casting im Gehege“ erlebt. Der Leitwolf habe sie aber schnell akzeptiert. Von da an sei die Sache klar gewesen.

Über verschiedene Stationen kam Elli H. Radinger schließlich 1995 ins „Märchenland aus Feuer und Eis“, wie sie den Yellowstone-Nationalpark nennt, und wo es die wohl berühmtesten Wölfe der Welt gibt. Die übrigens, so die Fachfrau, würden ihr Leittier nicht nach Aussehen und körperlicher Stärke erwählen. „Was zählt, ist die Erfahrung“, so die Expertin, die aber auch bei Wölfen „verschiedene Persönlichkeiten“ ausgemacht hat. Sie hätten jedoch eines gemeinsam: Familiensinn. „Allen Wolfshassern würde ich gern einmal zeigen, was für liebevolle Eltern diese Tiere sind“ und dass sich auch andere Mitglieder eines Rudels um die Welpen kümmern würden. Entgegen der gängigen Vorstellung „werden alte und verletzte Wölfe in der Wildnis auch nicht weggemobbt“.

Und dann fragt sie ins Publikum, wie es denn ihre Zuhörer mit diesen Tieren halten würden. „Es ist normal, Angst zu haben“, sagt die Fachfrau, „aber es ist wichtig, dass man sich informiert.“ Denn Wölfe hielten sich vor Menschen zurück, würden sie nicht gezielt angreifen. Wer einem begegne, solle ihm bestimmt entgegentreten. Dann trolle sich der Wolf ganz schnell, weiß die Forscherin, die auch eine große Affinität zu Kojoten hat und perfekt deren Geheul nachahmen kann.

Und dann outet sich die ansonsten so cool wirkende Fachfrau – und sorgt für Lacher: „Ich habe Angst vor Pferden“, verrät sie, um anschließend in eine lange Frage-Antwort-Runde mit dem Publikum einzusteigen. Am Schluss wird Elli H. Radinger auch zahlreiche Bücher signiert haben. Denn die gibt es gleich vor Ort zu kaufen.