Gartengeschichten Integration in Grün

Sie sind echte Laubenpieper, so mit allem Drum und Dran, mit Gemüsebeeten und Obstbäumen - Familie Silo aus Syrien.

Von Gesine Biermann 10.08.2016, 03:00

Gardelegen l Es ist ein besonderer Tag für die ganze Familie. Es gibt Kaffee und Kuchen. Eines der Kinder hat heute Geburtstag. Und gefeiert wird bei dem herrlichen Wetter natürlich im Garten. Unterm Vordach der Laube ist es schön schattig. Alle sind da, Eltern, Geschwister, die Onkel und die Oma. Deutsche Familienidylle im Kleingarten.

Allerdings kommt Familie Silo nicht aus Deutschland, sondern aus Syrien. Alle haben schwarze Haare und dunkelbraune Augen. Aber das ist auch schon der einzige Unterschied zu den Gartennachbarn, von denen auch einige zur Familienfeier eingeladen sind. Aber vielleicht sind sie dann doch ein klein bisschen anders, als so mancher sture Altmärker: Bei den Silos ist einfach jeder willkommen. Gastfreundschaft wird in diesem Garten extrem groß geschrieben.

Seit Februar dieses Jahres haben sie sie, ihre eigene Parzelle. „Wir brauchten ein bisschen Grünes um uns“, sagt Papa Mahmud Silo. „Vor allem die Kinder.“ Zu Hause in Syrien habe die Familie auf dem Dorf gelebt. Da wurde immer im Garten gearbeitet. Der deutsche Garten ist also wie ein Stück Heimat in der Fremde. Wer jetzt allerdings fremdländische Pflanzen erwartet, wird enttäuscht: „Eigentlich haben wir bei uns in Syrien dieselben Sorten wie hier“, versichert Silo. „Gurken, Paprika, Zwiebeln und Knoblauch, alles gleich!“ Doch, etwas sei anders gewesen, zu Hause, widerspricht der 15-jährige Mohammad, das Geburtstagskind: „Bei uns waren die Wassermelonen viel größer – und die Blumen auch.“

Die waren übrigens das erste, was in ihrem Garten angepflanzt wurde, erinnert sich Tochter Siham. Und dabei hatten wohl die Mädels der Familie, sprich Mama Adlla Bouzan und die Töchter Siham (18) und Felak (13), die Hände im Spiel. Die Männer der Familie – neben Papa Mahmud gehören noch der 17-Jährige Khalil, der 15-Jährige Mohammad, Schwiegersohn Eli Mohammad Yasir und die Onkel Saleh Serian und Hakari Bouzan dazu – haben es gern handfester: Sie haben sich als erstes um den Anbau von Erdbeerpflanzen gekümmert und Obstbäume gepflanzt.

Nur die vierjährige Zeinab freut sich vermutlich weniger über Obst und Blumen, als über den neuen Pool im Garten, der seit einigen Tagen auf dem Rasen steht. Sie ist übrigens als einzige in Deutschland geboren worden, spricht zwar auch arabisch, aber mit deutschem Akzent, wie Papa Mahmud verrät. Der lebt schon seit einigen Jahren hier, hatte seine Familie dann 2012 nachgeholt. Mittlerweile haben alle einen Aufenthaltstitel, gehen oder gingen alle Kinder hier zur Schule, die Familie fühlt sich in Gardelegen heimisch. Und dazu hat der neue Garten sicher auch ein ganzes Stück beigetragen, „die Wohnung ist ja auch nicht so groß“, weiß „Oma“.

Dass die so ganz anders aussieht, als der Rest der Familie, hat einen Grund: Sie ist nämlich Deutsche und eigentlich auch „nur“ eine Nachbarin. Aber als sie vor einigen Jahren nach Gardelegen und in das Haus gezogen sei, in dem die Silos schon wohnten, habe sie sich vorgestellt – „das kenne ich so, dass man sich vorstellt“– und sei sofort hereingebeten worden, erzählt Edelgard Granse. Bald schon sei dann eine richtige Freundschaft entstanden und mittlerweile sagen alle Oma zu ihr. „Sie haben mich adoptiert und ich sie“, sagt sie lachend. Klar dass sie auch zur Geburtstagsfeier eingeladen ist, und natürlich auch ihre eigenen Enkel dort jederzeit willkommen sind.

Und noch jemand schaut in Silos Garten vorbei, an diesem Nachmittag, und sagt mal kurz Hallo zu den Neuen: Wolfgang Lübbe, Vereinsvorsitzender des Kleingartenvereines Am Kuhschlagweg. Er hatte der syrischen Familie im Februar den leerstehenden Garten angeboten, nachdem sie im Kleingartenverein Am Rosengraben nichts gefunden hatten. Dort war nämlich keine Parzelle frei. Die Gartenfreunde dort hatten Mahmud Silo deshalb empfohlen, sich beim größeren Verein am Kuhschlagweg zu melden. Und dort konnte der Chef spontan helfen. Seitdem haben die Silos ihr lang vermisstes eigenes Grün und Wolfgang Lübbe neue Vereinsmitglieder, die superpünktlich Pacht zahlen.

 „Sie sind sogar überall herumgelaufen und haben mich gesucht, weil sie schnell bezahlen wollten!“, erzählt Lübbe.Zudem sind die Silos ganz offensichtlich eifrige Gärtner – auch die Kinder fassen nämlich gern mit an –, die ihre Parzelle picobello in Ordnung halten. Und sie seien außerdem sehr freundliche Nachbarn, die sofort mit anfassen, wenn jemand Hilfe braucht, lobt Lübbe – kurz: Leute mit Charaktereigenschaften, die sich Lübbe und sein Vorstand von allen Mitgliedern wünschen würden.