Gericht Kein Geständnis

Am Amtsgericht in Gardelegen ist in dieser Woche ein 18-Jähriger verurteilt worden.

Von Gesine Biermann 21.03.2017, 20:00

Gardelegen l Kein Geständnis – dafür viele Lügen: Bis zum Ende der Verhandlung hielt ein 18-jähriger Angeklagter im Gardeleger Amtsgericht an seiner Version fest, er habe ein schickes Sportrad im vergangenen Sommer in Kunrau lediglich „in Sicherheit gebracht, damit es kein anderer entwendet.“ Und davon ließ er sich auch nicht abbringen, weder durch das Gericht, noch durch die Zeugenaussage eines Zwölfjährigen, der bei der „Sicherstellung“ dabei gewesen war.

An jenem Tag, so sagte der Fünftklässler aus, seien beide gemeinsam vom Baden gekommen. Vor einem Grundstück sei sein Kumpel – „Wir kennen uns vom Fußball und machen öfter Blödsinn miteinander“ – plötzlich stehen geblieben und in die Einfahrt gegangen. Er selber sei weitergefahren, so der Junge. Beim Umdrehen habe er aber gesehen, dass der 18-Jährige auf seinem Rad gefahren sei und ein anderes neben sich her geschoben habe.

Mit den Worten: „Guck mal, mein neues Fahrrad“, habe er ihm das Rad dann am nächsten Tag präsentiert. Da habe es aber eine andere Farbe gehabt.

Auch nach dieser detaillierten Diebstahlsschilderung blieb der Angeklagte indes völlig ungerührt. Ja, er habe das Rad genommen, aber eben nur, um es sicherzustellen. Auf die Frage von Strafrichter Axel Bormann, warum er es dann nicht bei der Polizei abgegeben habe, antwortete er nicht. Und auch als dieser wissen will, wer das Rad umgespritzt habe, zuckte er die Achseln: „Weiß ich doch nicht. Mein Hof ist ja nicht ständig abgeschlossen.“

Staatsanwalt Thomas Kramer platzte daraufhin der Kragen: „Sehen wir hier heute besonders doof aus?“, wollte er von dem verstockten jungen Mann wissen. „Sie wollen uns doch nicht ernsthaft erzählen, dass da jemand auf ihren Hof gekommen ist und das Rad umgespritzt hat?“

Dass es passiert ist, ist allerdings sicher. Zwei Fotos beweisen es. Dass der Eigentümer sein Rad dennoch wiedererkannte, ist der Tatsache zu verdanken, dass der Angeklagte einige Wochen später just wieder an dessen Grundstück vorbei radelte. „Meine Freundin hat zufällig hingeschaut und gesagt: Da hat aber jemand sein Rad komisch angestrichen.“ Daraufhin sei er aufmerksam geworden und habe sein Fahrrad erkannt. „Ich bin hinterherfahren und dann war ich sicher, es ist meins.“ Mehrere prägnante Merkmale hatte der Angeklagte nämlich nicht verändert. Kurzerhand habe er dem jungen Mann das Rad dann abgenommen, es in seinen Kofferraum gelegt und sei sofort zur Polizei gefahren.

Dass er ihm kurz zuvor noch eine Ohrfeige gegeben hatte, war das Einzige, was den Angeklagten interessiert: „Warum haben Sie mich gehauen?“ wollte er von dem Zeugen wissen. „Darauf braucht er nicht zu antworten, weil er sich damit belasten würde“, belehrte ihn der Staatsanwalt. Kramer war offensichtlich immer noch perplex, angesichts so vieler dreister Lügen. Und die haben dem 18-Jährigen am Ende auch nicht weiter geholfen. Wegen Diebstahls verurteilt das Gericht den Klötzer nämlich zu 100 Sozialarbeitsstunden und einer Woche Dauerarrest. „Klar darf ein Angeklagter lügen“, so Bormann, „aber das war schon ziemlich dreist.“ Verschärfend kam hinzu, dass er ein Kind in seine Straftaten mit einbezogen habe, so der Richter. Berücksichtigt habe er im Urteil aber den „holprigen“ Werdegang des Angeklagten. Er war, als Kind von beiden Eltern verlassen, bei den Großeltern aufgewachsen, war weder im Heim noch in einer Pflegefamilie klar gekommen und hatte die Schule und mehrere Maßnahmen abgebrochen.