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Interview „Andere Ortsteile sind dran“

Steffen Rötz ist seit zwei Monaten neuer Vorsitzender des Miester CDU-Ortsverbandes. Die Volksstimme sprach mit ihm.

24.07.2015, 17:00

Volksstimme: Sie sind Bio-Landwirt, ledig und haben ein Kind – das passt doch gar nicht zur konservativen CDU, sondern eher zu den Grünen.

Steffen Rötz: Das mit dem Bio ist eine wirtschaftliche Entscheidung. Ledig, das ist so. Das beißt sich heute überhaupt nicht mehr.

Bei welchen Inhalten fühlen Sie sich der CDU nahe?

Es ist die ländliche Verbundenheit, das Bodenständige. Es ist die Herangehensweise, was als konservativ definiert ist: Wir schauen es uns an und machen keine Schnellschüsse. Wir bewahren das Alte und justieren nach. Was zum Beispiel die Grünen gemacht haben mit dem Biogas – diese Schnellschüsse. Und jetzt wird gemerkt: komplett überschossen. Das ist mit der konservativen Politik nicht vereinbar. Und das gefällt mir einfach.

Wie sind Sie zur CDU gekommen?

Man könnte meinen, ich habe es in die Wiege gelegt bekommen, aber so war es nicht ganz. Natürlich kannte man sich. Und ich habe mich früh mit Politik beschäftigt. Und man bekommt dann mit, wo die eigene Neigung ist, mit welchen Positionen man sich am ehesten identifizieren kann – und das ist die CDU. Und dann sicher eher der Unternehmerflügel.

Sie sind ein junger Vorsitzender mit vielen älteren Mitgliedern in einem großen Ortsverband...

... das ist doch schön. Ich finde, es ist eine wunderschöne Mischung. Ich bin sehr froh, dass Otto Grothe mein Stellvertreter ist, denn er bringt als CDU-Urgestein die Erfahrung mit ein. Norbert Tendler als Stellvertreter ist auch ein Landwirt. Mit ihm bin schon beruflich eng verbunden, man hat so eine ähnliche Herangehensweise. Mit Eric Wilke sind dann auch junge Leute dabei. Ich denke, wir können hier durchaus was bewegen.

Wofür steht der Miester CDU-Ortsverband? Gibt es den nur noch, um Listen für Wahlen aufzustellen? Politisch drang in den vergangenen Jahren wenig nach außen, was Standpunkte, Forderungen oder auch Kritik angeht.

Sicher, das ist ein bisschen weniger geworden. Der Ortsverband hat immer die Miester Gespräche gemacht, politische Aktionen waren da. Man hat sich hier und da sicherlich größere Resonanz erhofft. Aber wenn ich mich an die Stasi-Veranstaltung erinnere, die war ja richtig überlaufen. Der CDU-Ortsverband war durchaus aktiv, auch wenn das vielleicht nicht mit Leserbriefen in der Presse der Fall war.

Wie stellen Sie sich für die Zukunft vor, dass der Miester Ortsverband zu hören ist?

Das was Bestand hat, wird bleiben: Miester Gespräche, Neujahrsempfang, eventuell ein Sommergrillen. Und dann möchte ich aktiver werden. Ich möchte die Kommunikation innerhalb des Ortsverbandes stärken. Mir persönlich ist die Politik zu theoretisch geworden. Warum sollte heute noch jemand Mitglied in einer Partei sein, weil es doch immer die da oben sind, die entscheiden und man keine Einflussmöglichkeiten hat? Das ist ein Kommunikationsdefizit. Ich möchte dafür sorgen, dass mehr Rückkopplung und Ansprache zur Basis entsteht, dass der Vorstand Anlaufstelle wird. Was will die Basis? Damit so auch der Mehrwehrt entsteht: Wenn du Mitglied bist, wird über den Ortsverband deine Meinung mit in die Fraktion getragen, in Stadtrat und Kreistag. Und ich möchte schon auch die Prominenz hierher zu holen, damit auch gezeigt wird, dass sind Menschen, mit denen man reden kann.

Gardelegen ist eine Stadt mit zwei CDU-Ortsverbänden. Wie sehen Sie da die Perspektiven?

Man stimmt sich schon untereinander ab, das findet statt und wird auch so bleiben. Wenn es Richtung Fusion geht, habe ich ein bisschen Bauchschmerzen, weil ein größerer Verband nicht unbedingt bessere Kommunikation heißt. Die Mitgliederzahl wird dann aufgebauscht, aber von Mieste nach Letzlingen oder nach Kloster Neuendorf – das sind ziemlich große Distanzen. Da verliert man wieder die Nähe. Das, was ich bemängelt habe: Der direkte Kontakt fehlt. Und da sehe ich nicht, dass eine Fusion unbedingt eine Verbesserung wäre. Wenn sich irgendwann die Gegebenheiten ändern sollten, kann man darüber reden, aber momentan besteht keine Notwendigkeit.

Nun sind Sie ein Jahr Mitglied des Stadtrates. Spielt da die Parteienzugehörigkeit überhaupt noch eine Rolle?

Ja.

Warum?

Wir haben bei uns keinen Fraktionszwang, was Abstimmungen schwieriger macht, das hat man bei der Estedter Grundschule gesehen. Da hätte es schneller Mehrheiten gegeben, wenn die Parteien in Richtung Block abgestimmt hätten. Und dann wären nicht beide Vorschläge abgelehnt worden. Das war eine Blamage für den Stadtrat, aber so ist Demokratie. Die Meinungsfindung in der Fraktion läuft über die Versammlungen, dann wird sich noch einmal nach den Ausschüssen getroffen und per E-Mail oder Telefon abgestimmt

Und ist da das christliche-demokratische Profil zu merken, wenn es um die Entscheidungen in der Stadt geht?

Nicht die Parteizugehörigkeit ist entscheidend, aber die, die in der CDU sind, haben die Grundeinstellung in der politischen Werteauffassung. Das eint uns. Und in dem Kanon ist es einfacher, sich vorher abzustimmen. Im Stadtrat stimmt dann jeder so, wie er es für richtig hält.

Nach einem Jahr Stadtrat mit vielen, auch umstrittenen Entscheidungen – etwa für Mehrkosten: Haben Sie das Gefühl, dass Sie mit entscheiden? Oder ist es nur ein Reagieren auf plötzlich auftretende Situationen?

Beides. Gerade was die aktuellen Kostensituationen angeht, haben wir sehr spät Dinge vorgesetzt bekommen, aus denen man kaum rauskommt. Wirklich nein sagen – beispielsweise bei der Kasa – kann man nicht. Das wird sogar teurer, wenn man nein sagt. Da hat man nicht wirklich Steuerungsmöglichkeiten. Andererseits denke ich schon, dass die Arbeit, die wir dort machen, tatsächlich wichtig ist, weil die Impulse gesteuert werden, was die Verwaltung wie bitte umzusetzen hat, oder wo ein Riegel vorgeschoben wird. Die persönliche Meinung kommt nicht immer richtig durch, weil es eine Abstimmung ist.

Sie sind Miester. Wie bewerten Sie die Entwicklung seit 2010, seitdem Mieste Teil der Hansestadt ist? Wo sehen Sie Schwerpunkte, wo etwas getan werden müsste, etwa in den Ortsteilen, die zum Ortsverband gehören?

Mieste hat in den vergangenen Jahren viel Bautätigkeit gehabt. Ich tue mich schwer, weitere Forderungen aufzumachen, beispielsweise zum Schwimmbad und zur Sauna, weil Mieste als Grundzentrum ziemlich gut ausgestattet wurde. Jetzt sind tatsächlich auch erstmal andere Ortsteile dran. Das wäre unredlich zu sagen, wir brauchen hier noch dies und jenes. Ich freue mich auf den Flächennutzungsplan für die gesamte Stadt, wenn dort in den Ortsteilen weitere Flächen für Wohnbebauung ausgewiesen werden würden. Das ist kurzfristig zu realisieren und vorerst wichtig. Schön wären Arbeitsplätze, das lässt sich aber schlecht steuern. Was wir in der Hand haben, sind Gebiete für Wohnbebauung. Und an den Anbindungen zu arbeiten – nach Wolfsburg und Stendal. Gern auch über den öffentlichen Nahverkehr, da kann man die Rahmenbedingungen mit steuern.

Und auf den kleinen Dörfern, wo es gerade Diskussionen gibt, was dort noch bleibt. Was sollte dort bleiben? Was ist realistisch?

Ein Zurückstecken ist schwer zu vermitteln und nicht gewollt. Sicher kann nicht jede Einrichtung in jedem Ort gehalten werden, das haben wir schmerzlich an der Estedter Grundschule gesehen, wo ich für die Schließung gestimmt habe. Es gibt aber schon Nachsteuerungsbedarf, etwa bei den Grünflächen. Wir hatten uns als CDU-Fraktion schon darum bemüht, andere Lösungen anzustreben. Da kam von der Verwaltung die Rückmeldung, dass es nicht geht. Unverständlich für uns, früher ging es auch.

Ist der CDU-Vorschlag denn finanzierbar?

Das ist weniger eine Frage der Finanzierbarkeit als der Organisation. Es muss nicht die gesamte Technik in Gardelegen stehen, jeder Rasenmäher und jeder Hammer. Die Idee war, in den größeren Ortsteilen Stützpunkte zu schaffen. Allein die Fahrzeit von Gardelegen nach Miesterhorst morgens und abends könnte man halbieren, indem Dienstbeginn in den Einsatzorten wäre. Die Verwaltung hat doch einen wesentlichen Einfluss auf das, was passiert. In der Stadtverwaltung ist man manchmal kreativ, was die Meinungsvorbildung angeht.