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Jonas Happy End mit kleinen Hürden

Mehr als ein halbes Jahr waren sie getrennt, nun darf Christin S. in Polvitz ihren jüngsten Sohn wieder selbst betreuen.

Von Gesine Biermann 08.10.2016, 03:00

Polvitz l Das Zimmer ist groß und freundlich. Ein bisschen kahl ist es noch, „aber ich kann hier auch Bilder aufhängen, wenn ich möchte“, sagt Christin S.. Das Beste an dem Zimmer hält sie aber ohnehin im Arm: Jonas, acht Monate alt, sitzt fröhlich auf ihrem Schoß und kaut auf einem Spielzeug. „Er kriegt gerade Zähne“, sagt seine Mama stolz und drückt ihm ein Küsschen auf. Da gibt‘s nämlich erheblichen Nachholebedarf. Gut sechs Monate lang durfte sie ihren Jüngsten nur einmal in der Woche für eine halbe Stunde sehen. Das Jugendamt des Altmarkkreises hatte den sechs Wochen alten Jonas in Obhut genommen und in eine Pflegefamilie gegeben. Grund dafür waren blaue Flecke, die mehrfach an Jonas kleinem Körper aufgefallen waren.

Woher sie kamen, ist bis heute nicht geklärt. Ein Gerichtsmediziner habe damals aber eindeutig festgestellt, dass sie nicht von selbst aufgetreten sind, betont Jugendamtsmitarbeiterin Anke Siebentaler. „Es waren schon ziemlich eindeutig Verletzungen.“ Damals habe man schnell reagieren müssen, um das Kind zu schützen.

Und nach anfänglicher Aufregung akzeptiert mittlerweile auch Christin S. diese Maßnahme, sieht sie sogar als sinnvoll an. Denn sie will nicht mehr ausschließen, dass möglicherweise der Vater ihres Jüngsten den Kleinen verletzt hat. Anfangs habe sie es nicht wahr haben wollen, gibt sie zu. Dann aber sei sie misstrauisch geworden.

Sebastian S. hat die Familie vor Monaten verlassen. Er spiele keine Rolle mehr in ihrem Leben, versichert Christin S. Sie habe ihn sogar angezeigt, um klären zu lassen, ob er an den Misshandlungen von Jonas schuld sei. Sie will nun ohne ihn mit ihren beiden Söhnen einen Neuanfang starten. Denn neben Jonas gibt‘s auch noch den fünfjährigen Marc.

Und nach einigen Schwierigkeiten ist dieser Neuanfang offenbar auch geglückt. Allerdings ist der mit einigen Änderungen in ihrem Leben verbunden. Eine Familiengutachterin hat nämlich aus „psychologischer Sicht eine vollumfassende Unterbringung in einer Mutter-Kind Einrichtung (...) unter Zuhilfenahme einer professionellen Unterstützung“ empfohlen. Der folgte das Jugendamt. Seit zwei Wochen wohnen die drei nun in Polvitz gemeinsam mit anderen jungen Müttern und ihren Kindern. Dort gefällt es Christin S. auch ganz gut. „Die Umgebung ist schön, das Zimmer auch“, vor allem aber sei es nicht weit zu Eltern und Freunden, die in Gardelegen leben.

Das alles sei in einer anderen Einrichtung nicht so gewesen, erzählt S.. Zunächst hatte das Jugendamt nämlich ein Mutter-und Kind-Heim in Tangermünde für sie ausgesucht, „unter anderem, weil es eine kleinere Einrichtung“ und somit familiärer sei, erläutert Anke Siebentaler. Dort allerdings sei das Zimmer winzig gewesen, die Umgebung trist, und es habe nicht einmal ein Bett für ihren ältesten Sohn gegeben, beschreibt Christin S.. Kurz nach ihrem Einzug fährt sie mit Marc deshalb wieder nach Gardelegen und weigert sich zurückzukehren.

Jugendamtsleiterin Jutta Peissig kann die Aufregung nicht verstehen. Das Bett sei unglücklicherweise kaputt gegangen, „aber am nächsten Tag hätte sie ein neues bekommen“, versichert sie. Zudem hätte die junge Frau nie klar geäußert, dass sie das Heim ablehnt.

Ein Verständigungsproblem, dass sich offenbar durch die gesamte Zeit der Betreuung zog. Christin S. sei sehr ruhig und äußere selten ihre Meinung, bestätigt auch Anke Siebentaler. Deshalb nimmt sie sich vor wenigen Tagen denn auch noch einmal Zeit für ein persönliches Gespräch mit ihr und kann dabei gleich noch ein paar große Sorgen der jungen Frau aus dem Weg räumen. Denn vom Jugendamt gibt es an diesem Tag die Zusage, dass sich die Behörde um die Einlagerung ihrer Möbel kümmern wird, auch finanziell – immerhin muss die Familie ihre Wohnung für ein Jahr aufgeben.

Zudem kann Anke Siebentaler Christin S. auch hinsichtlich einiger strikter Regelungen im Polvitzer Heim beruhigen. Nach einer Übergangszeit, die wichtig sei, um eine Vertrauensbasis zwischen Heim und Bewohnern aufzubauen, wird die junge Frau auch wieder selbst über ihr Familienbudget verfügen dürfen. Das nämlich wird derzeit noch zugeteilt, obwohl ihre Finanzen nie ein Problem waren, wie Christin S. versichert.

Dass das Jugendamt für die Zeit der Unterbringung auch die Kosten für ihre Versicherungen übernimmt, wie Siebentaler bestätigt, erfährt Christin S. ebenfalls sehr erleichtert. Nun könne sie sich also ganz auf ihre kleine Familie konzentrieren, sagt sie.

Und das muss sie auch, machen die Mitarbeiter des Jugendamtes klar. Zunächst gibt‘s in diesem Zusammenhang sogar Einschränkungen, die sie akzeptieren müsse. Derzeit darf sie Jonas nämlich noch nicht mit zu Besuchen in Gardelegen mitnehmen. Klappt alles, werden auch solche Regelungen natürlich gelockert. „Wir alle wünschen ihr, dass sie mit beiden Kindern bald wieder selbstständig leben kann“, versichert Jutta Peissig. Und auch die junge Mutter selbst sieht die Situation als Chance. Vor allem aber ist sie jetzt einfach nur glücklich, dass sie ihren Jüngsten auch wieder bei sich hat.