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Mit Rolli unterwegs Rathaus nicht behindertenfreundlich

Ulrich Szoebb, Vorstandsvorsitzender der Wohnungsgenossenschaft Kalbe, schildert seine Erfahrungen als Rolli-Fahrer in Kalbe.

Von Cornelia Kaiser 25.01.2017, 02:00

Kalbe. „Solche Stellen sind ein echtes Problem“, sagt Ulrich Szoebb und deutet auf eine Unebenheit in der Kalbenser Thälmannstraße hin. Davon gibt es in Kalbe mehrere. Und das macht das Dasein als Rolli-Fahrer, das der 78-Jährige aufgrund eines körperlichen Handicaps seit 2013 führen muss, nicht gerade einfacher.

Im Großen und Ganzen komme er in der Stadt aber recht gut zurecht, sagt Ulrich Szoebb Denn sein Rollstuhl, der eine Spitzengeschwindigkeit von 12 Stundenkilometern erreiche, habe eine Straßenzulassung. Und die ermögliche ihm, direkt auf den Verkehrswegen unterwegs zu sein, wo die meisten Fahrzeugführer auch Rücksicht nehmen würden. Die Gehwege müsse er zum Glück nicht nutzen. Ansonsten dürfte es an so mancher Stelle ziemlich schwierig werden, wie der Kalbenser sagt.

Er ist darauf angewiesen, zügig voranzukommen. Denn trotz seines Seniorenalters verbringt Ulrich Szoebb noch regelmäßig Zeit im Büro. Seit 52 Jahren steht er der örtlichen Wohnungsgenossenschaft vor. Und das bedeutet, dass er sich immer wieder morgens auf den Weg von seinem Wohnort an der Straße der Jugend hinauf zum Petersberg macht, wo er als Ansprechpartner für die Genossenschaftmitglieder fungiert. Sein Büro erreicht er allerdings, das gibt Ulrich Szoebb unumwunden zu, nur unter großer Kraftanstrengung mit Gehhilfen. Denn im Treppenhaus des sanierten Altneubaus, in dem es sich befindet und in dem er selbst bis vor wenigen Jahren gewohnt hat, gibt es weder Fahrstuhl noch Treppenlifter.

Er selbst hätte sicher schon dafür sorgen können, dass dieser Zustand abgestellt wird. Doch weist Ulrich Szoebb auf die hohen Investitionskosten hin und dass diese genau zu überlegen sind. Denn das heutige Vermietungsgeschäft sei ein sehr schwieriges und könne nicht sicherstellen, dass sich eine solche Investition langfristig rechne, betont er.

Insofern bringt der Vorstandsvorsitzende der 90 Wohnungen umfasssenden Genossenschaft auch ein gewisses Verständnis für die Stadt Kalbe auf. Deren Verwaltung an der Schulstraße gehört nämlich zu jenen öffentlichen Einrichtungen, die nicht sehr behindertenfreundlich sind, jedenfalls was die eigentliche Bausubstanz betrifft. In dem mehrstöckigen Gebäude gibt es weder Fahrstuhl noch Treppenlifter. Und Szoebbs wichtigste Ansprechpartner, nämlich die Mitarbeiter des Bauamtes, sitzen ausgerechnet unterm Dach. „Aber wenn ich einen Termin mit ihnen habe“, so der Genossenschafts-Chef, „dann kommen sie herunter und dann können wir auch das Büro der Tourist-Info nutzen.“

Diese Regelung gelte generell, wenn Behinderte einen Termin in der Verwaltung hätten. Und deren Eingangsbereich sei ja vor einigen Jahren auch extra mit einer Rollstuhlrampe versehen worden, wie Bürgermeister Karsten Ruth deutlich macht. Einen Treppenlifter oder gar Fahrstuhl in das Gebäude einzubauen, hält er aufgrund der hohen Kosten nicht für gerechtfertigt.

Es gibt allerdings Unternehmen, die das anders sehen. Beispiel: Sparkasse. Auch der dortige Schalterraum ist nur über eine Treppe zu erreichen – oder über einen speziellen Rolli-Fahrstuhl. „Das ist wirklich vorbildlich“, lobt Ulrich Szoebb. Andere Einrichtungen wie zum Beispiel die Schalterhalle der Raiffeisenbank befänden sich hingegen zu ebener Erde und seien daher auch gut erreichbar.

Und was ist mit Arztpraxen in Kalbe, von denen einige nur über Treppenhäuser erreichbar sind? Da kommt Ulrich Szoebb das System der Hausbesuche zugute. Das gibt es nämlich auch im Seniorenheim „Klein Sanssouci“, in dem er und seine Ehefrau seit einigen Jahren leben. Dort kümmert man sich nicht nur um das Wohlbefinden der Bewohner, sondern eben bei Bedarf auch um deren medizinische Versorgung. Von der Behindertenfreundlichkeit des Hauses ganz zu schweigen. Die sei natürlich hervorragend, lobt Ulrich Szoebb, der nach erledigter Arbeit immer wieder gern ins Heim zurückkehrt.

Doch wie lange will er überhaupt noch die Wohnungsgenossenschaft „Am Petersberg“ leiten? „Wir bereiten gerade“, sagt er, „einen Generationswechsel vor. In der Buchhaltung fangen wir im Februar damit an.“ Sprichts und rollt, freundlich lächelnd, auf der rechten Straßenspur von dannen.