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Ordnungsamt Besser erziehen als bestrafen

2839 Fälle von Ordnungswidrigkeiten landeten 2016 auf dem Tisch des Fachbereiches Ordnung und Sicherheit der Gardeleger Stadtverwaltung.

Von Gesine Biermann 21.01.2017, 02:00

Gardelegen l Ein bisschen muss sie selbst staunen, als sie die Zahlen des vergangenen Jahres so übersichtlich vor sich liegen sieht. Heidi Wiechmann, Mitarbeiterin im Bereich Gefahrenabwehr, hat die verschiedenen Ordnungswidrigkeiten mal zusammengestellt. Eine ganze Liste voller Sünden, von der nur kurz überzogenen Parkzeit bis hin zum Pinkeln in aller Öffentlichkeit. Denn wer da glaubt, die Mitarbeiter im Ordnungsamt müssen sich nur um Parksünder kümmern, irrt gewaltig. Es ist ein großes Spektrum, wie auf der Jahresübersicht von Heidi Wiechmann nur allzu deutlich wird.

Allerdings, und das zeigen die Zahlen auch eindeutig, ist die Ahndung der Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr der größte Posten. Allein 2656 Tickets wurden im vergangenen Jahr ausgestellt. Und wer so ein Zettelchen – in Gardelegen sind sie knallrot – an seinem Fahrzeug findet, der bekommt in absehbarer Zeit einen Verwarngeldbescheid.

Wenn der bezahlt ist, ist die Sache erledigt. Wer herumtrödelt, bekommt – wieder nach absehbarer Zeit – einen Bußgeldbescheid. Und der ist um einiges teurer. 416 Mal wurde so ein Brief im vergangenen Jahr rausgeschickt. Das sind 15 Prozent der Fälle. Der größte Teil der Gardeleger war offenbar einsichtig, auch wenn sich natürlich niemand freut, wenn so ein roter Zettel hinterm Scheibenwischer klemmt. Und manchmal kriegen dann auch die Mitarbeiter im Außendienst diesen Ärger ab. „Aber wir denken uns die Gesetze schließlich nicht selbst aus, sondern wir müssen sie durchsetzen“, erinnert Fachbereichsleiterin Birgit Matthies.

Und das gilt natürlich nicht nur fürs Parken. Beschäftigen müssen sich die Mitarbeiter auch mit ganz anderen Sachen. Zum Beispiel mit der Einhaltung des Nichtraucherschutzgesetzes. 18 Verwarngelder (bis zu einer Höhe von 55 Euro) und 12 Bußgelder wurden im vergangenen Jahr an Leute verschickt, die in Nichtraucherzonen dem Glimmstängel nicht widerstehen konnten. Die meisten davon waren Schüler, die auf dem Schulgelände dringend paffen mussten. Die Anzeige – mit Angabe von Zeugen – kommt in diesen Fällen immer von der Schule. „Lehrer können ja immer nur ermahnen. Eine Geldstrafe tut dann auch mal weh“, sagt Birgit Matthies. Und wenn die Kinder noch minderjährig sind? „In den Fall bekommen dann die Eltern von uns Post“, erklärt Heidi Wiechmann. Auch ein junges Alter schützt also vor Strafe nicht – auch nicht in solchen Fällen. Peinlich wird‘s dann gratis.

Eher Versäumnisse sind es wohl, um die sich die Ordnungsamtsmitarbeiter bei der Durchsetzung des Personalausweisgesetzes kümmern müssen. Weil nämlich jeder Bürger ein gültiges Personaldokument, also einen Ausweis oder Reisepass, besitzen muss, ist es eine Ordnungswidrigkeit, wenn jemand dagegen verstößt. Und das kann leicht passieren, wenn so ein Dokument nach zehn Jahren abläuft. Zwar kommt etwa ein Vierteljahr vorher eine nette Erinnerung vom Amt. Dennoch vergisst so mancher Bürger, einen neuen Ausweis zu beantragen – und muss dann Strafe zahlen. 2016 genau 21 Mal.

Genau 24 Mal gab es im vergangenen Jahr zum Beispiel ein sogenanntes Fegeknöllchen. In Gardelegen ist das gelb – und eigentlich zunächst nur ein netter Hinweis (siehe Foto). „Denn unser Ziel ist es ja eben nicht, zu bestrafen, sondern zu erziehen“, sagt Heidi Wiechmann. Deshalb steht auf dem Zettel, neben der Bitte seinen Anliegerpflichten nachzukommen, auch meist der Termin der nächsten Kontrolle. Und erst wer dann immer noch nicht reagiert, muss mit einem Verwarngeld rechnen.

Ohnehin geht es im Ordnungsamt der Stadt Gardelegen vergleichsweise kulant zu. Oft werden längere Fristen eingeräumt als vorgesehen. „Und wir versuchen den Bürgern auch immer freundlich zu vermitteln, worum es geht“, versichert Wiechmann. Mit dem Erfolg, dass die meisten dann auch einsehen, dass so ein Verwarngeld kein persönlicher Anschlag auf sie ist.

Und sogar selbstkritisch ist man in der Verwaltung. Sogenannte Schneeknöllchen wurden 2016 zum Beispiel gar nicht verschickt. „Die Stadt schafft es ja auch nicht immer überall“, sagt Birgit Matthies. Allerdings appellieren die Außendienstmitarbeiter in argen Fällen auch an die Einsicht der Bürger: „Wir sagen dann: Schauen Sie, wir wollen es schön haben. Für die Stadt ist das ein Riesenaufwand. Sie haben nur so ein kleines Stück zu fegen.“ So was weckt Verständnis.

Nur wer gar nicht reagiert oder permanent gegen Satzungen verstößt, muss dann auch mit der Konsequenz der Verwaltungsmitarbeiter rechnen. Im härtesten Fall, wenn zum Beispiel ein Bußgeld gar nicht bezahlt und auch keine Ratenzahlung vereinbart wurde, auch mit einer Erzwingungshaft. Die wird dann natürlich von der Staatsanwaltschaft angeordnet und von der Polizei durchgesetzt. Und zwar 53 Mal im vergangenen Jahr in Gardelegen. Soweit muss es aber nicht kommen. Wiechmann: „Wenn sich jemand bei uns meldet, finden wir fast immer eine Lösung.“