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Selbsthilfegruppe Im Hinterkopf bleibt immer der Krebs

Unter dem Motto „Wir können - ich kann!“ steht der internationale Krebstag weltweit. In Gardelegen gibt es eine Selbsthilfegruppe.

Von Gesine Biermann 04.02.2017, 02:00

Gardelegen l Als ihr ihr Arzt die Diagnose mitteilte, ganz unverhofft nach einer Routineuntersuchung, war sie allein. „Mein Mann war auf Montage, meine Tochter hat auch gearbeitet." Aber wer hatte auch mit einer solchen Hiobsbotschaft gerechnet? Die allerdings, so erinnert sich die Gardelegerin Christel Hensel, sei eigentlich erst einmal an ihr vorbeigerauscht. „Das war wie ein Schott, das runterfiel.“ Zunächst fühlt sie gar nichts. Erst zu Hause weint sie dann. Und irgendwann abends informiert sie telefonisch ihren Mann und die Tochter, die natürlich ebenso erschrocken sind wie sie selbst. „Und dann habe ich überlegt, wie es wohl weitergehen wird...“

Zum Glück ging es sofort weiter, erinnert sich Christel Hensel. Schon zwei Tage nach der Diagnose wird sie in Magdeburg operiert. Es folgen Chemotherapie und Bestrahlung. „Das volle Programm.“ Das ist jetzt 13 Jahre her. Theoretisch gilt sie als geheilt. Verblasst ist die Erinnerung allerdings kein bisschen. „Der Krebs bleibt immer im Hinterkopf“, sagt sie nachdenklich. Damals, noch während der Reha in der Kalbenser Medianklinik, hat die heute 68-Jährige allerdings etwas getan, was viele Jahre lang – und heute immer noch – anderen Menschen hilft, die dasselbe Schicksal haben. Denn vor 13 Jahren gründete Hensel gemeinsam mit der Zobbenitzerin Heidrun Wittig und Renate Pott aus Gardelegen die erste Krebs-Selbsthilfegruppe in der Stadt. Seither treffen sich deren Mitglieder in der Regel einmal monatlich. Reden miteinander, machen sich Mut und tauschen auch Erfahrungen aus.

„Unterstützt werden wir auch von der Sachsen-Anhaltinischen Krebsgesellschaft“, sagt Hensel. So werden die Mitglieder zum Beispiel über Neuigkeiten informiert, erfahren Termine von Vorträgen und ähnlichem. Zwölf Jahre lang hat Christel Hensel die Gruppe geleitet. Vor kurzem hat sie den Staffelstab nun an Kathrin Berg weitergegeben. Auch die Miesterin kennt die tückische Krankheit nur zu genau, auch wenn sie selbst nicht betroffen ist. Ihre Mutter bekam Ende der 1990er Jahre die Diagnose Krebs. „Und ich habe mir immer gewünscht, einen Ansprechpartner zu haben, der mir auch mal die Dinge erklärt, die man als Angehöriger oft nicht versteht“, sagt sie.

Genau die hat die 49-jährige Zustellerin dann in der Selbsthilfegruppe gefunden. „Es tut einem einfach auch selber gut, wenn man sich austauschen kann“, weiß sie. Aber den Mitgliedern ist auch bewusst, dass sich nicht jeder in einer Gruppe wohlfühlt. „Jeder tickt anders“ sagt Kathrin Berg. Es gibt Leute, die lieber für sich sind, das wird akzeptiert. Vielen aber helfe die Gemeinschaft, das spüren die Frauen immer wieder. Da ist die ältere Dame, die immer noch in die Gruppe kommt, obwohl sie gesund und ihr Mann, der Krebs hatte, verstorben ist. Da sind die, die gerade erst die Diagnose erhalten haben und noch nicht wissen, wo es jetzt lang geht für sie. Manchmal bleiben sie. Manchmal nicht.

Da sind die, die nicht erzählen wollen, sondern lieber zuhören, aber auch jene, die gern los werden wollen, was sie bedrückt, und froh sind, wenn ihnen jemand zuhört. Das Motto der Gruppe: Alles kann. Nichts muss. Das funktioniert seit 13 Jahren. Vielleicht auch, weil die Krankheit zwar ein wichtiges, aber nicht das einzige Thema ist. „Wir unternehmen auch viel zusammen“, sagt Christel Hensel. Der Plan für das neue Jahr beweist das: Im März ist zum Beispiel eine Frauentagsfeier geplant, bei der auch die Herren willkommen sind, im August steht ein Tagesausflug an, im September eine Herbstwanderung und zwischendurch gibt‘s auch einfach mal „nur so eine nette Runde“.

Schon viele sind dadurch wieder aufgeblüht, freuen sich auf jedes Treffen, wissen die beiden. „Auch die Psychologie spielt schließlich eine Rolle“, sagt Kathrin Berg. Christel Hensel kann das nur bestätigen. Neben der Familie, die immens wichtig sei, könne auch die Gruppe zur Lebensfreude beitragen. „Es sind meist die kleinen Dinge, die das Leben bunt machen“, steht auf der Rückseite ihres Jahresplanes. Beide Frauen würden das unterschreiben. Und wer sich anschließen will, ist jederzeit willkommen, auch Angehörige. Zu den Treffen muss sich auch niemand lange vorher anmelden. Wer Kontakt aufnehmen möchte, kann dies jederzeit bei Kathrin Berg unter der Telefonnummer 0171/957 09 78 tun.