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Tierschutz Abgemagert, angekettet ... gerettet

In einem Gardeleger Garten vegetierte eine Schäferhündin dahin, ohne dass sich ihr Besitzer um sie kümmerte. Nun ist er das Tier los.

Von Gesine Biermann 20.08.2016, 03:00

Gardelegen l Fröhlich springt Tessie über die Wiese. Vergnügt holt sie den Ball, den ihr jetziger Pfleger wirft, legt ihn erwartungsvoll wieder vor ihm hin und stupst ihn wedelnd an. „Noch mal“, heißt das eindeutig. Man sieht der sechsjährigen Schäferhündin direkt an, wie sie diese Freiheit genießt. Gern kommt sie deshalb nicht, als sie wieder in den Zwinger soll – immerhin muss sich Tessie noch schonen. Doch ihr Pfleger muss nur einmal mit der Hundefuttertüte knistern: Wie ein Schatten ist sie neben ihm, frisst ihm aus der Hand und lässt sich friedlich wieder einschließen.

 

Futter – in Tessies klugem Kopf hat das momentan offenbar die höchste Priorität. Denn monatelang war ihr Napf längst nicht täglich gefüllt. Ihr Besitzer hatte sie in seinem Pachtgarten in einem Gardeleger Kleingartenverein hungern lassen, sich kaum um das Tier gekümmert. Anfang Juli hatten besorgte Pächter aus der Umgebung schließlich das Ordnungsamt informiert, weil sie das Tier schon ein Weilchen nicht mehr gehört hatten und sich deshalb Sorgen machten. „Am 5. Juli haben wir sie dann rausgeholt“, erzählt Petra Gewasda vom örtlichen Tierschutzverein. Das Gardeleger Ordnungsamt hatte die Tierschützer und die Polizei hinzugezogen. „Wir wissen nicht, was uns dort erwartet“, hatte Fachdienstleiterin Birgit Matthies vom Ordnungsamt angekündigt. Und den Anblick werden die, die dabei waren, schließlich auch nicht vergessen. „Es war grauenhaft“, erinnert sich auch ein Ordnungsamtsmitarbeiter. Denn die junge Hündin lag angekettet in einem Zwinger. In einem Napf stand noch ein wenig dreckiges Wasser. Der Futternapf war leer. Darüber, wie lange darin wohl schon kein, oder zumindest nicht genug Futter gewesen sein muss, sprach der Zustand der Hündin Bände: „Sie war nicht nur dünn, sie war total abgemagert“, erinnert sich Petra Gewasda. Offenbar hatte das Tier schon seinen eigenen Kot gefressen und sich selbst das Fell ausgerissen. Die Fotos, die Tierheimchefin Marianne Wigger gemacht hat, sind kaum zu ertragen: „Die Hinterläufe hatte sie sich total abgefressen, das Fell unterm Bauch auch“, berichtet Wigger.

 

Überall dort, wo sie rankam, war das Haar ausgerupft. Vermutlich hatte sie so den schlimmen Hunger ein bisschen betäubt. Und als wenn das noch nicht genug wäre, hatten sich im Fell auch noch Massen von Parasiten eingenistet: „Sie hatte wirklich alles: Flöhe, Zecken, Milben, Haarlinge“, zählt Tierschutzvereinschef Kurt Gewasda auf. Die Ohren waren grindig weiß, dort hatte sich ein Pilz angesiedelt. Die Hündin hatte also nicht nur den Hunger, sondern auch Juckreiz und Wundschmerzen aushalten müssen. Dennoch kam sie zutraulich auf ihre Retter zugetorkelt. Offenbar erleichtert, dass überhaupt mal jemand nach ihr schaute.

Und das passiert seither täglich unzählige Male. Denn zu Beginn konnte Tessie – den Namen und ihre Herkunft hatten die Daten ihres Chips verraten – keine normale Mahlzeit bei sich behalten. Eine Gardelegerin, die das Tierheim privat unterstützt, bot sich deshalb an, für Tessie täglich zu kochen. Mit bis zu acht kleinen Portionen Brühe und gekochtem Fleisch täglich päppelte sie die Hündin wieder auf. Auch der Tierarzt schaut regelmäßig vorbei. Um sie gegen die Parasiten behandeln zu können, musste ihr aber das lange Fell, das Markenzeichen von Altdeutsch-Langhaar Schäferhunden – abrasiert werden. Bis heute gilt für Tessie, die derzeit von Mitgliedern des Tierschutzvereines privat gepflegt wird, noch Quarantäne.

Und der Besitzer? „Der hat sich bis heute nicht mal erkundigt“, sagt kopfschüttelnd Petra Gewasda. Dass er weiß, dass sein Hund nicht mehr da ist, steht indes fest. Denn vor Ort wurde ein Zettel hinterlassen, dass das Tier in Gewahrsam genommen wurde. „Und wir haben auch Leute in seinem Umfeld kontaktiert und Bescheid gesagt“, versichert Birgit Matthies, die beim Gardeleger Ordnungsamt für solche Fälle zuständig ist.

Der Mann, der offenbar in Bismark gemeldet ist, sich aber meist in Gardelegen aufhält, ist namentlich bekannt und wird nun wohl bald offiziell Post bekommen. Denn der Tierschutzverein hat Strafanzeige gestellt. „Auch das Veterinäramt des Kreises ist informiert worden“, bestätigt Birgit Matthies auf Nachfrage. Von dort droht dem Mann nun wohl ein Tierhalteverbot, und möglicherweise auch ein Strafverfahren. Denn laut Protokoll des Gardeleger Tierschutzvereines ist er bereits vor gut zehn Jahren aufgefallen. Sogar in einem ähnlichen Fall: Damals holten die Tierschützer ebenfalls einen vernachlässigten Hund aus dem Garten des Mannes. „Außerdem lagen in einem anderen Stall etliche abgemagerte tote Kaninchen“, erzählt jemand, der damals dabei war. Der Mann hat also schon zuvor Tiere gequält.

Dass er Tessie nichts mehr antun kann, dafür sorgt eine Entscheidung des Gardeleger Ordnungsamtes: Denn selbstverständlich wird der Mann sie nie wieder zurückbekommen.