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Wirtin gibt auf Traditionshaus in Engersen schließt

Es ist einer der Letzten seiner Art in der Region. Margrit Bindemann schließt die Türen ihres Engersener Landgasthofes - für immer.

Von Cornelia Kaiser 29.12.2016, 02:00

Engersen. „Hier, schauen Sie mal“, sagt Margrit Bindemann, und zeigt lächelnd einige Briefe, die sie in den vergangenen Tagen erreicht haben. Sie stammen von langjährigen Kunden, die es bedauern, dass die Engersenerin am Freitag ihren Landgasthof und die dazugehörende 17-Betten-Pension schließt. Damit endet auch automatisch das Angebot „Essen auf Rädern“, das in den zurückliegenden 24 Jahren nicht nur von Kindereinrichtungen und Schulen, sondern auch von vielen Privatpersonen genutzt wurde.

Letztere zeigen sich in besagten Briefen dankbar für den guten Geschmack und die Abwechslung, die ihnen Margrit Bindemann und ihr Team auf den Teller gebracht haben.

Das Team ist es auch, das dafür gesorgt hat, dass Margrit Bindemann nicht schon viel früher ihre unterehmerische Tätigkeit beendet hat. Immerhin ist sie bereits 74 Jahre alt und könnte längst ihre wohlverdiente Rente genießen, „zumal mein Körper mir inzwischen immer wieder die Gelbe Karte zeigt“, wie sie sagt. „Aber als ich einst 65 wurde, habe ich meinen beiden Mitarbeiterinnen versprochen: Euch bringe ich auch noch dorthin. Und es ist mir auch fast gelungen“, so Margrit Bindemann. Ihre Angestellte Birgit Wienecke steht unmittelbar vor ihrem Renteneintritt, Kollegin Angelika Jeske hat auch nur noch einen vergleichsweise kurzen Zeitraum zu überbrücken. Beide Frauen waren rund 20 Jahre lang im Landgasthof Engersen tätig.

1992 hatte Margrit Bindemann diesen übernommen, nachdem sie zuvor schon andernorts in der Gastronomie gearbeitet hatte. „Gelernt habe ich aber den Beruf der Verkäuferin“, erzählt die Wirtin, deren Vorfahren so gut wie alle eigene, kleine Unternehmungen hatten. „Ich selbst bin in einem Tante-Emma-Laden aufgewachsen, und zwar hier in Engersen“, so Margrit Bindemann, zu deren Landgasthof auch ein 200 Personen fassender Saal gehört.

Anfangs fanden dort nicht nur private Feierlichkeiten statt – „die habe ich immer besonders gern ausgerichtet“, betont die Wirtin –, sondern es gab auch regelmäßige Angebote wie Silvesterpartys, das Pelltüffeleten und natürlich Jugend-Tanzveranstaltungen Dann allerdings wurden diese von politisch motivierten Auseinandersetzungen überschattet und Margrit Bindemann musste die Reißleine ziehen.

Als das Sportlerheim und das Dorfgemeinschaftshaus in Engersen als öffentliche Treffpunkte hergerichtet wurden, da bekamen die Wirtin und ihr Team das anhand nachlassender Nachfragen drastisch zu spüren. „Ich habe immer zu denen, die feiern wollten, gesagt: Ihr kommt sauber und Ihr geht sauber. Woanders müsst Ihr Euch selbst um alles kümmern. Inzwischen“, so Margrit Bindemann, „gehen ja auch wieder viele dazu über, in Gaststätten zu feiern.“ Letztere werden auf dem Land aber immer weniger.

Natürlich hat die Wirtin auch einige Zeit über eine Nachfolgeregelung nachgedacht. Aber ihre Kinder standen für eine Übernahme nicht zur Verfügung. „Und man darf nicht vergessen“, so die 74-Jährige, „dass es wirklich ein harter Job ist. Ich habe über mehrere Jahrzehnte jeden Tag in der Küche gestanden – mit Ausnahme von Krankenhausaufenthalten.“

Urlaub kennt Margrit Bindemann nur vom Hörensagen. Umso aufgeregter sieht sie ihrer Tour an die Ostsee entgegen, die sie für 2017 gebucht hat. „Ich habe ein bisschen Angst. Aber ich bin ja nicht auf den Mund gefallen“, so die alleinstehende Powerfrau. Sprichts und verschwindet wieder in die Küche. Das Essen auf Rädern will noch einmal ausgeliefert werden.