1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Gardelegen
  6. >
  7. Tausche drei Zimmer gegen eins

Zurückgeblättert Tausche drei Zimmer gegen eins

In der Serie „Zeitreise ins Archiv“ blättern wir mit Lesern zurück. Rona Neumann erinnert sich an die Wohnungstauschzentrale Gardelegen.

Von Gesine Biermann 05.03.2017, 04:00

Gardelegen l Rückblende. Ende der 80-iger Jahre in der ehemaligen DDR: Die Kindergärten sind voll. Die Wohnungen auch. Junge Paare wohnen mit Kind im einstigen Kinderzimmer in der Wohnung der Eltern. Das ist keine Seltenheit, auch nicht in Gardelegen.

Doch auch wenn es auf jedem Parteitag beteuert wird und auf jedem Banner steht, kommt man mit dem Wohnungsbau einfach nicht nach in der DDR. Und so hat man im damaligen Rat der Stadt, Abteilung Wohnungspolitik, schließlich die Idee, eine Wohnungstauschzentrale einzurichten: „Zusätzlich zu den 115 Wohnungsproblemen laut Plan“ sollten so nämlich „40 Wohnungstauschprobleme gelöst werden“, heißt es in der Ausgabe der Volksstimme vom 22. März 1988.

Der Hottendorferin Rona Neumann wird damals diese besondere Einrichtung anvertraut. Sie wird die Leiterin der ersten Wohnungstauschzentrale der Kreisstadt. Damals bekommt sie ein Büro an der Sandstraße (heute ist dort eine Spielothek untergebracht). „Zweimal in der Woche hatte ich dort Sprechzeit. Natürlich bis 18 Uhr, damit auch die Werktätigen Gelegenheit hatten vorbei zu kommen“, erinnert sie sich schmunzelnd. Ihr wichtigstes Arbeitsmittel damals ist nicht etwa ein PC, sondern ein selbstgemachter Karteikasten mit den aufgelisteten Tauschwohnungen. „Das hatte allerdings den Vorteil, dass ich auch bei Stromausfall immer wusste, was Phase ist“, sagt sie augenzwinkernd.

Und auch sonst war die Devise „selbst ist die Frau“ angesagt. Denn das Büro hatte einen Ofen, „und den musste ich dann im Winter jedes mal erst mal anheizen, damit es halbwegs warm wurde.“ Dafür wurde aber so manchem Besucher dann ebenfalls warm ums Herz, wenn die junge und engagierte Mitarbeiterin der Abteilung Wohnungspolitik tatsächlich eine passende Wohnung anbieten konnte. So mancher jungen Familie konnte sie nämlich sogar eine Zwei-Zimmer-Wohnung besorgen. Vorausgesetzt ein älterer DDR-Bürger wünschte sich zeitgleich eine kleinere...

Besonders beliebt waren dabei natürlich die Neubaublöcke mit Fernheizung. Neumann: „Der Schlüsselkorb war damals unser Berlin-Marzahn!“ Allerdings lagen die kleinen Neubau-Wohneinheiten leider oft im fünften Stock – ohne Aufzug, erzählt Rona Neumann. Und dort wollten natürlich die Senioren nicht hin. Ein Teufelskreis. Und doch gelang so mancher Tausch. „Wir haben uns damals nämlich wirklich bemüht“, versichert sie. „Und es gab sogar einen Umzugsservice für Bedürftige, die keinen Trabbi und nicht mal einen eigenen Klaufix hatten!“

Aber natürlich konnte längst nicht jedem geholfen werden. Und so gab es auch den einen oder anderen, der nicht so glücklich aus Rona Neumanns Wohnungstauschzentrale ging, wenn ihre „Handkartei“ keinen passenden Tauschpartner enthielt. „Aber das waren eigentlich nur wenige, die gemeckert haben.“ Selbst das Anstehen vor ihrem Büro sei eigentlich nie ein Problem für die Leute gewesen, erinnert sich Neumann. „Irgendwie waren wir alle geduldiger und disziplinierter damals“, sagt sie, und: „ Naja, das Warten kannten wir ja vom Bananenkaufen!“

Aber auch noch etwas anderes trug wohl dazu bei, dass die Leute bei Rona Neumann immer nett blieben. „Ich wusste einfach, wie es sich mit einer vierköpfigen Familie in einer Ein-Zimmer-Wohnung anfühlt“, sagt sie lächelnd. Menschlichkeit in den Amtsstuben. Auch das gab es nämlich damals, vor 30 Jahren. 

Sollen wir auch für Sie, liebe Leser, mal in unserem Archiv zurückblättern, nennen Sie uns ein Ereignis und erzählen uns Ihre Geschichte.