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Jubiläumstag Curt Jutzi in Genthin feiert 100.

Zum Wohl und alles Gute: Curt Jutzi aus Genthin wurde in den erlauchten Kreis der 100-Jährigen aufgenommen.

Von Mike Fleske 02.01.2016, 00:01

Genthin l Fast zerbrechlich wirkt der Jubilar, wenn er in dem großen gemütlichen Sessel am Fenster seines Zimmers im „Haus der Generationen“ sitzt. Von hier aus kann er das Leben auf der Scholl-Straße verfolgen und hat außerdem auch noch einen guten Blick auf seinen Fernseher. Sein heller Verstand ermöglicht ihm trotz seines hohen Alters, beides immer noch in vollen Zügen zu genießen. Zarte Aquarelle von Helmut Heide aus Klitsche, die das Zimmer schmücken, offenbaren zudem den Schöngeist Jutzi. „Diese Bilder tun mir gut“, gesteht der 100-Jährige.

Ein wenig Entspannung vor dem großem Ehrentag, an dem sich die Gäste die Klinke in die Hand geben. Schon am Morgen gratulierte Familie Kowalski, Betreiber des Hauses der Generationen. „Sie sind der Erste, der bei uns seinen 100. Geburtstag feiert“, freute sich Birgit Kowalski. Genthins Bürgermeister Thomas Barz gratulierte genauso mit einem kleinen Geschenk wie Landrat Steffen Burchhardt. „Sie sind für Ihr sonniges Gemüt bekannt, deshalb scheint heute auch die Sonne“, sagte er. Der Landrat überbrachte zudem die Glückwünsche von Ministerpräsident Reiner Haseloff. Auch das MDR-Radio machte seine Aufwartung und berichtete über den runden Geburtstag. Einen so munteren 100-Jährigen treffen auch gestandende Radioleute nicht alle Tage.

Jutzi kokettiert ein wenig mit seinem hohen Alter, wenn er seinen Erinnerungen freien Lauf lässt. Seine Mutter hätte mit ihm im Kindesalter besorgt den Arzt aufgesucht, weil er ein ausgesprochen schlechter Esser gewesen wäre, erzählt der Jubilar. Eine Schnitte, mehr war nicht drin. Der Arzt habe seine Mutter jedoch beruhigt, das seien nur die Magennerven. „Der Junge ist gesund und wird so alt wie eine Schildkröte“, gibt Jutzi den Rat des Mediziners an seine Mutter mit einem schallenden Lachen wider. Das sei wohl nun eingetreten. Ein Wunschkonzert verbirgt sich hinter der Biografie Curt Jutzis trotzdem nicht.

Der alte Herr erzählt von seiner Familie, die mit ihren fünf Kindern die Heimat in der Schweiz, nachdem sie in wirtschaftliche Turbulenzen geraten war, in Richtung Deutschland verließ. Die Eltern bauten sich hier wieder nach und nach eine neue Existenz auf, erwarben nach einigen Zwischenstationen schließlich zwei Güter, unter anderem eines in Großdemsin.

Als Schweizer Staatsbürger blieb Curt Jutzi vom Militärdienst im Zweiten Weltkrieg verschont, was ihn daheim zu einer begehrten Arbeitskraft, unter anderem als Waldarbeiter in Dunkelforth, machte.

Die Enteignung der Güter seiner Eltern im Jahr 1945 stellte dann das Leben der Familie Jutzi wieder einmal auf den Kopf. Während seine Mutter die Landwirtschaft auf kleiner Flamme aus eigener Kraft weiter betrieb, suchte sich Jutzi nun eine Arbeit in der Zuckerfabrik. Dass er in Genthin hängenblieb und nicht seinem Wunsch nachgab, in die Schweiz zurückzukehren, sei einzig und allein seiner Frau zu verdanken, erzählt der 100-Jährige, der bis auf den heutigen Tag reinstes Schwyzerdütsch beherrscht. Noch genau kann er sich an die erste Begegnung mit ihr erinnern, bei einem Ball der Feuerwehr in Redekin Ende der 1940er Jahre. Als das Radio die Musik lieferte, habe er sie zum Tanz aufgefordert. „Sie hat mir vom ersten Moment an gefallen, eine andere kam für mich nicht in Frage“, weiß Jutzi zu berichten. „Und dann“, stockt der Jubilar spannungsgeladen den Atem, „forderte sie mich doch glatt bei der Damenwahl zum Tanz auf.“ 1956 läuteten dann die Hochzeitsglocken - der Beginn einer 50 Jahr währenden Ehe.

Curt Jutzi ist ein Mann, den die Schicksalsschläge seines Lebens nicht aus der Bahn werfen konnten. Dazu gehörte auch eine schwere, langjährige Erkrankung seiner Ehefrau, die ihn darin bestärkte, ein besonders liebevolle, treusorgender Vater für Tochter Martina und Sohn Andreas zu sein. Für Beide und auch für die Enkel ist der 100-Jährige bis heute eine wichtige Bezugsperson. Die Familie, Freunde aus der Schweiz und viel Bekannte aus Genthin waren am Geburtstag zu Besuch.

Curt Jutzi kann ohne Bitterkeit auf sein langes Leben zurückblicken. Das alte Akkordeon, Lied und Textsammlungen, die vom das Geburtstagskind sorgsam aufbewahrt werden, erinnern den betagten Herren an seinem 100. Geburtstag daran, dass ihn die Musik von frühester Kindheit an bis ins hohe Alter begleitet und ungemein bereichert hat. Hausmusik im Kreise der Familie und fast wöchentliche Auftritte als Schlagzeuger im Lindenhof begründeten eine Jutzi-Dynastie, die heute von dem Sohn als Trompeter im Musik-Express fortgesetzt wird.

„Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich mit meinem Fahrrad und dem Anhänger, in dem die Musikinstrumente verstaut waren, losgezuckelt bin“, erzählt der Jubilar. Erinnerungen, die auch Genthins Musik-Urgestein Otto Wernstedt wachrief, als er am Ehrentag plötzlich mit dem Akkordeon in der Tür stand und seinem Freund Curt ein musikalisches Geburtstagsständchen spielte. „Wir waren lange Jahre Nachbarn und haben zusammen in einer Gruppe gespielt“, berichtet er.

Der Musik und seinen abendlichen Bandauftritten zuliebe wechselte Curt Jutzi übrigens auch die Arbeit von der Zuckerfabrik, wo er in Schichten im Einsatz war, zur Schiffswerft. Hier arbeitete er zunächst als Sandstrahler, später als Heizer. Erst mit 72 Jahren schloss der Genthiner mit dem Schweizer Pass das Werkstor hinter sich zu. „Ich habe mich durchs Leben gerappelt und bin jetzt ein glücklicher Alter“, lacht Curt Jutzi, obwohl es auch unglückliche Momente in seinem Leben gab. Tochter Martina Brüning-Jutzi versucht diesen scheinbaren Widerspruch aufzuklären: „Unser Vater genießt nach einem bewegten Leben den vollen Rückhalt in der Familie. Das ist uns sehr wichtig.“