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Hochwasserschutz Rentenzeit für den Herrn der Deiche

Der Flussbereichsleiter Genthin des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft geht in den Ruhestand.

Von Mike Fleske 12.02.2017, 01:00

Genthin l „Wir wünschen Dir alles Gute für die Zukunft und haben einen Rettungsring mitgebracht“, sagte Jan Salomo von der Wasserstraßen- und Tiefbaufirma WSTC. Dekoriert war das waschechte Schiffsutensil mit Bildern aus Reinhard Kürschners beruflichem Leben. „Außerdem haben wir ihn per Bildbearbeitung in seine Lieblingsgruppen Rolling Stones und Beatles kopiert.“

Unter die Gäste mischten sich die Bürgermeister aus Jerichow, Elbe-Parey und Havelberg genau wie Weggefährten und Mitarbeiter Kürschners aus dem Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft. Auch zahlreiche Mitarbeiter von Firmen, die mit dem Deichbau oder der Deichsicherung beauftragt sind, waren vor Ort.

Der Ehrentag war gleichzeitig der Moment, an dem sich der Flussbereichsleiter Genthin aus dem Berufsleben verabschiedete. Mögen die Gratulationen und Abschiedsworte der Gäste launig und spaßig ausgefallen sein, für Kürschner kam das Ende seiner Berufslaufbahn früher als es regulär hätte sein müssen.

„Nach dem Hochwasser 2013 ist es mir immer schwerer gefallen, mich zu motivieren“, bekannte er freimütig. Viel Gegenwind habe er bekommen, als der Deich in Fischbeck brach. „Ich wurde von vielen Seiten dafür verantwortlich gemacht, es war keine leichte Zeit.“ Auch die Personalpolitik im Landesbetrieb kritisierte Kürschner. Man achte zu wenig auf einen geregelten Übergang, bei dem die Erfahrungen des Vorgängers auf den Nachfolger übergingen. Es werde nur auf einen passenden Universitätsabschluss geschaut, ob ein Bewerber den hohen Anforderungen der Aufgabe in der Praxis gewachsen sei, spiele keine Rolle.

Auch kritisierte Kürschner, die immer umfänglicher werdende Bürokratie und dass für seine Aufgaben kein offizieller Nachfolger benannt wurde. „Ich habe mir immer eine eigene Meinung geleistet, und ich bin auch stolz darauf, dass ich mich nie habe verbiegen lassen“, sagte Kürschner. Er blickte an seinem Ehrentag zurück auf 40 Berufsjahre, die er mit einer Facharbeiterausbildung und einem Studium Wasserbau in Dresden begonnen hatte.

Nach seiner Zeit in der Wasserwirtschaftsdirektion wurde er Mitarbeiter des Landesbetriebes Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft. Nachdem er 2002 die Nachfolge des damaligen Flussbereichsleiters Klaus Flügge angetreten hatte, stand er sofort vor seiner ersten Herausforderung der Elbeflut im Sommer 2002. Auch die Winterhochwasser 2006 und 2011 waren Herausforderungen.

Eine Zäsur für Kürschner die Flut im Sommer 2013. Davor und danach war Kürschner ein Streiter für den Hochwasserschutz, dem er sich voll und ganz verschrieben hatte. „Ein Diplomat war er nicht, aber er war aufgrund seiner langen beruflichen Erfahrung und seiner Fachkompetenz immer ein verlässlicher Gesprächspartner“, meinte Bernd Poloski, Bürgermeister der Hansestadt Havelberg, der genau wie seine Bürgermeisterkollegen bei Deichschauen und den Planungen für eine Erhöhung der Deichsicherheit mit Kürschner zu tun hatte.

„Ihre ersten Fragen als wir uns 2010 kennenlernten, war ,Was soll das‘? und ,Was wird aus Ihnen?‘, erinnerte sich Martina Große-Sudhues an ihre erste Begegnung mit Kürschner. Als Geschäftsbereichsleiterin Betrieb und Unterhaltung beim Landesbetrieb Hochwasserschutz war sie zuletzt dessen Chefin. Sie übermittelte Glückwünsche des Direktors des Landesbetriebes, Burkhard Henning, der an diesem Tag nicht dabei sein konnte.

Als Sie mir sagten, dass Sie mit 63 Jahren in den Ruhestand gehen, habe ich dass nicht geglaubt, schließlich sind Sie noch jung und dynamisch“, befand Kürschners Stellvertreter Marco Schirmer, der die Aufgaben seines Chefs vorübergehend mit übernehmen wird. Schirmer erinnerte daran, dass Kürschner in seiner Zeit als „Deichgraf“ im Genthiner Flussbereich gleich vier Hochwasser erlebt habe.

Als Konsequenz daraus habe sein Chef das Engagement in die Deichsicherheit verstärkt. „Zwei Drittel der rechten Elbdeiche im Flussbereich sind saniert.“ Die Deichrückverlegung in Jederitz sei abgeschlossen, Sandau-Nord und Süd werden angegangen. Saniert werde derzeit das Wehr Neuwerben. „Nicht zuletzt haben Sie uns ein gut saniertes Dienstgebäude übergben, wenngleich mit einem Wasserschaden“, bilanzierte Schirmer unter dem Gelächter der Anwesenden.

Als Andenken bekam Kürschner von seinen Mitarbeitern das alte Hauseingangschild des Landesbetriebes geschenkt.

Auch ein Keyboard gehörte zu den Geschenken des Chorsängers. Seinem musikalischen Hobby wird sich der Familienvater und dreifache Großvater nun noch mehr widmen. Auch dem Reisen.

Sein Weggefährte Manfred Simon, ehemals wissenschaftlicher Mitarbeiter ibei der Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe, legte Kürschner zehn Vorschläge ans Herz, nach denen es besser sei, im Alter auf Kreuzfahrt statt ins Seniorenheim zu gehen. So sei es günstiger, man habe einen Room-Service und fünf Mahlzeiten am Tag.

Auch kleine Wortspielerien mit Reinhard Kürschners Namen waren an diesem Tag erlaubt und wurden natürlich launig vorgetragen. Am Ende war es dann ein doch versöhnlicher und humorvoller Abschiedstag.