Abrisspläne Wohnen ohne Zukunft

Die Genthiner Wohnungsgenossenschaft will die Blöcke in der Lorenzstraße abreißen lassen. Zum Unmut vieler Mieter.

Von Kristin Schulze 13.11.2016, 03:00

Genthin l „Wohnen mit Zukunft“ steht auf den Briefbögen der Kündigungen, die den Mietern der Lorenzstraße am 25. Oktober zugingen. Vermieter ist die Genthiner Wohnungsbaugenossenschaft (GWG), eine Zukunft für die Wohnungen in Genthin-Süd sieht der Vorstand offensichtlich nicht.

Wegen des Rückganges der Bevölkerung und der Leerstandsquote soll der Wohnblock abgerissen werden. Die GWG will so ihren Bestand verringern. „Die Wohnungen sind nicht mehr in einen Zustand zu bringen, der den heutigen Ansprüchen genügt“, sagt Wolfgang Kadura vom GWG-Vorstand.

Sein Kollege Peter Jelitte ergänzt: „Die Kündigungen greifen zum April beziehungsweise Juli. Wir gehen jetzt aktiv auf die Mieter zu und bieten neue Wohnungen an.“

Viele Bewohner der Lorenzstraße sind verunsichert, weil sie noch keine neue Wohnung in Aussicht haben. Die Geschichte von Erika Kober, der man eine Wohnung in Jerichow angeboten hat, macht ihnen wenig Mut. Iduna Konopke sagt: „Ich habe einen 450-Euro-Job in Genthin, ich kann nicht nach Jerichow oder Parey ziehen.“

Auch Bärbel Schleef ist überzeugt: „Gleichwertige Wohnungen gibt es nicht. Der Baustil ist heute ein ganz anderer.“ So hat sie in der Lorenzstraße eine große Wohnküche. „Die haben wir extra für diese Wohnung angeschafft, die kann ich wegschmeißen, wenn ich hier ausziehen muss.“ Von den 500 Euro, die die GWG für den Umzug zahlen wolle, würde sie keine neue Küche anschaffen können. Schleef wohnt seit 1985 in der Lorenzstraße. „Es ist eine tolle Gemeinschaft. Mein Enkelkind geht hier zur Schule. Ich möchte hier nicht weg.“

So sieht es auch Eduard Berg. Er lebt seit 22 Jahren in Genthin, war in der ganzen Zeit GWG-Mieter. „Vor drei Jahren mussten wir aus unserer Wohnung in der Aderlaake raus, jetzt sollen wir wieder umziehen“, beklagt er. Ihm und seiner Frau wurde bereits eine Wohnung in der Groblerstraße in Aussicht gestellt. Für das Ehepaar eine echte Alternative. „Eine verbindliche Zusage haben wir aber noch nicht. Wir fühlen uns allein gelassen.“

Für die Eheleute Kern ist es ebenfalls nicht der erste Umzug, den sie wegen der Bestandsverringerung der GWG in Angriff nehmen müssen. Margitta Kern zeigt ihr Kündigungsschreiben aus dem Jahr 2005. „Wir wohnten in der Gillhoffstraße. Dort mussten wir wegen des Stadtentwicklungsplans raus.“ Die Kerns zogen in die Lorenzstraße. In der Kündigung, die sie im Oktober bekamen, wird der Stadtentwicklungsplan wieder als Begründung genannt. „Wir haben uns hier eingerichtet, wollten hier alt werden“, sagt Dieter Kern. Eine neue Wohnung ist ihnen noch nicht angeboten worden.

So geht es vielen Mietern hier. Idealer Nährboden für Gerüchte. So erzählt man sich zum Beispiel, dass es, wenn überhaupt, nur in Altenplathow Wohnraum gebe. „Wir haben im Heckenweg gleich nebenan einen Garten und eine Garage. Wir möchten nicht nach Altenplathow“, sagt Margitta Kern.

Der Block in der Lorenzstraße ist veraltet, hält der GWG-Vorstand dagegen. Peter Jelitte betont: „Es gibt genug moderne Wohnungen für alle Mieter.“ Es sei noch Zeit bis zum Frühjahr. „Wir können jetzt ohne Druck und Hast neue Wohnungen vermitteln.“

Viele der Mieter wollen trotzdem in ihrer alten Wohnung bleiben und haben Widerspruch gegen die Kündigungen eingelegt. Enttäuscht sind sie von der Kommunikation mit ihrem Vermieter. „Ich war bei jeder Versammlung, davon dass wir hier raus müssen, war nie die Rede“, sagt Bärbel Schleef. Dieter Kern ergänzt: „Ich bin seit 40 Jahren bei der GWG. Ich hätte erwartet, dass man mit uns spricht, bevor man uns eine Kündigung schickt.“