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Archäologie Bronzezeit-Siedlung entdeckt

Die Elblandschaft zwischen Jerichow und Fischbeck war einst weitaus großflächiger besiedelt als heute. Das zeigen archäologische Funde.

Von Sigrun Tausche 09.11.2016, 00:01

Jerichow l Eine ganz kleine Auswahl von Funden hatte Dr. Dietlind Paddenberg vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt kürzlich zu der Info-Veranstaltung im Jerichower Bürgerhaus mitgebracht. Thema waren der bisher erfolgte und weitere Deichneubau sowie die Deichsanierung und -erhöhung zwischen Fischbeck und Jerichow. An jeder Stelle, die dabei „angefasst“ wird, kommen nach der Munitionssuche erstmal die Archäologen an die Reihe, um zu bergen, was sonst unwiederbringlich verloren wäre.

In diesem Bereich lohnt sich ihre Tätigkeit wirklich, das wurde bereits bei früheren Berichten vorgestellt, und das verdeutlichen auch die jüngsten Funde wieder.

Im Norden dieses Bereichs sei fast gar nichts gefunden worden, berichtete Dr. Dietlind Paddenberg. Zur Mitte hin, im Bereich des Lenzenbergs, wurde es etwas mehr, jedoch war hier schon viel der Erosion zum Opfer gefallen. Eine wunderschöne bronzezeitliche Siedlung sei hier entdeckt worden – leider auch schon großteils aberodiert. Dank der sorgfältigen Ausgrabungen habe man aber Teile der Siedlung rekonstruieren können, unter anderem anhand von Aussparungen, die die Lage von Häusern deutlich machten. Dort waren auch „Kühlschränke“ jener Zeit entdeckt worden – große Gefäße im Boden direkt neben Hauseingängen.

Eine weitere Besonderheit sei die ungewöhnliche Keramik – Kugelkeramik der Lausitzer Kultur. Das sei der Stand der Grabung im letzten Jahr gewesen.

Dieses Jahr seien im Nordteil wieder Zeugnisse der frühen Bronzezeit und späten Eisenzeit entdeckt worden. Darunter seien ganz viele umgelagerte Funde. Erfasst werden konnten Altarme der Elbe, so dass man hoffe, daraus die Landschaft während der späten Bronze- und frühen Eisenzeit rekonstruieren zu können. Es gebe Altarmabschnitte, wo Funde eingelagert sind, und andere, wo das nicht der Fall ist.

Ganz erstaunlich sei, wie großflächig die Besiedlung vor rund 3 000 Jahren war. Das könne bisher aber nur unter Vorbehalt gesagt werden, denn man wisse noch nicht, inwieweit es im gesamten Zeitraum Verlagerungen des Siedlungsbereichs gab, also ob einzelne Stellen nur in einem begrenzten Zeitraum besiedelt waren. Hierzu müsse es anhand der Funde noch weitere Untersuchungen geben.

Die Kugelkeramik sei hier nicht wieder aufgetreten, was durchaus auf eine zeitliche Verschiebung der Besiedlung schließen lasse. Insgesamt sei die gesamte Fläche aber in einem relativ eng begrenzten Zeitraum besiedelt gewesen.

Weiter im Süden, also im Norden des Klosters Jerichow, sehe es ganz anders aus. Die Erhaltung der Funde sei wesentlich besser. Auch der zeitliche Ursprung der Funde sei ein ganz anderer: „Hier bewegen wir uns im Mittelalter.“ Gefunden wurde slawische Keramik. Dies sei im Zusammenhang mit einer Grabung zu sehen, die vor einigen Jahren im Südwesten des Kloster Jerichow erfolgt ist: Dort wurde unter anderem ein wunderschöner slawischer Töpferofen ­gefunden.

So bekomme man nach und nach eine Vorstellung über die Siedlungsgeschichte der Region. „Hier war eine Menge los, auch bevor das Kloster im 12. Jahrhundert gegründet ­wurde!“

Unter anderem hatte Dietlind Paddenberg ein schönes Gefäß mitgebracht, dass in einem einstigen Brunnen gefunden wurde. Offenbar war es beim Wasserholen hineingefallen. Auch Spinnwirtel wurden in dem Bereich gefunden sowie eine Knochenahle. Ein ganz außergewöhnliches Fundstück hatte sie noch dabei: eine Steinaxt beziehungsweise sogenannte Amazonenaxt, die eigentlich nicht in diese Zeit passe, sondern in die Jungsteinzeit gehöre. Dies sei wahrscheinlich ein Altfund, den in der Bronzezeit jemand gesammelt und aufgehoben hat.

Auch von der alten slawischen Siedlung hatte Dr. Paddenberg ganz frisch geborgene Keramik dabei.

An Siedlungsbefunden gebe es zum jetzigen Zeitpunkt hier mindestens zwei Grubenhäuser mit zugehörigen Vorratsgruben. Hier laufen die Arbeiten aber noch, und sie sei überzeugt, dass man noch viel Spannendes entdecken werde.

„Wir planen, bis Weihnachten hier durch zu sein.“ Danach werde sie gern ein weiteres Mal über die Funde informieren.

Tatsächlich sei bis vor ein paar Jahren nicht bekannt gewesen, dass in den Flussauen überhaupt Siedlungsplätze waren. An vielen Stellen müsse die Landschaft an den besiedelten Stellen seinerzeit aber mindestens einen halben Meter höher gewesen sein, denn vielfach seien die Funde bereits aberodiert und man finde sie direkt an der Oberfläche oder wenig darunter. Darum sei es auch so wichtig, die archäologischen Untersuchungen vor dem Deichbau vorzunehmen, weil danach nichts mehr von diesen Siedlungsresten übrig bliebe.

Bemerkenswert sei zudem, dass es sich bei den Menschen, die damals hier lebten, offenbar um die direkten Vorfahren von heutigen Einwohnern handelte. Es habe bereits DNA-Untersuchungen gegeben, die auf drei Einwanderungswellen schließen lassen. Seit der Bronzezeit sei die Besiedlung relativ konstant geblieben. Im Harz habe man bei einer solchen Untersuchung tatsächlich zwei Einheimische gefunden, die direkt verwand waren mit einem Bewohner aus der Bronzezeit, dessen Reste man in einer Höhle gefunden hatte, erzählte die Archäologin.