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Bürgerversammlung Streitobjekt im ruhigen Fahrwasser

Anderthalb Jahre, nachdem die ersten Flüchtlinge in Brettin die ersten Unterkünfte bezogen, gab es eine erneute öffentliche Zusammenkunft.

Von Simone Pötschke 23.03.2017, 00:01

Brettin l „Es tut gut, wenn wir uns mit der Flüchtlingsproblematik noch einmal mit zeitlichem Abstand beschäftigten“, sagte Landrat Steffen Burchhardt (SPD) eingangs der öffentlichen Ortschaftsratssitzung am Dienstagsabend in Brettin. Die verantwortlichen Diskutanten der Einwohnerwohnerversammlung, darunter auch Jerichows Bürgermeister Harald Bothe und Ortsbürgermeister Werner Pamperin, sahen sich im Oktober 2015 vorwiegend emotionalen Bedenken und Vorwürfen bezüglich der Flüchlingsunterbringung im Hohenbelliner Weg ausgesetzt. Nun wollten sie ein aktuelles Bild der Situation zeichnen. Inzwischen, so die Botschaft an die Einwohner, stehen die Signale auf Entspannung.

Seit etwa 15 Monaten, das führte der Landrat aus, bewegte sich die Zahl der Flüchtlingszuweisungen auf einem niedrigen Niveau. Der Landkreis habe deshalb zum Jahresende bereits die Unterkünfte in der Genthiner Einsteinstraße gekündigt und werde zum Herbst auch den Mietvertrag im Heinigtenweg auslaufen lassen. Es gebe aber auch anerkannte Flüchtlinge, die in Genthin bleiben.

In Brettin, führte der Landrat aus, seien gegenwärtig 64 Personen dreier Nationen untergebracht. Dabei handele es sich um zehn Familien. Mit ihnen würde die Unterkunft am Hohenbelliner Weg gegenwärtig mit etwa 30 Prozent ausgelastet sein. Der Landkreis brauche den verbleibenden Wohnraum als künftigen Puffer. „Ich kann nicht in die Glaskugel schauen“, legte sich der Landrat im Hinblick auf die politischen Entwicklungen im Ausland nicht fest.

Man habe sich in Brettin für die Unterbringung der Familien entschieden, weil sie im ländlichen Raum bessere Chancen der Integration hätten als in der Stadt. Im Verlaufe der Veranstaltung gab Buchhardt später zur Auskunft, dass für die Brettiner Immobilie noch ein Mietvertrag über die Dauer von anderthalb bis zwei Jahre bestünde. Steffen Burchhardt stellte fest, dass sich die Ängste der Brettiner im Umgang mit den Flüchtlingen nicht bestätigt hätten. „Wir haben hier die wenigsten Vorfälle.“

Das sei dem Wirken von Ehrenamtlern zu verdanken, die unter anderem niederschwelligen Deutsch-Unterricht erteilen. Mittlerweile werden an fünf Tagen vier Sprachkurse erteilt. Die Integrationsbeauftragte des Landkreises, Stephanie Glomm, verwies darauf, dass die Brettiner Ehrenamtler ihre Aktivitäten mit der Netzwerkstelle Rolandmühle gut koordinieren würden. Zur Sprache kam außerdem, dass im TSV Brettin/Roßdorf mittlerweile 15 Flüchtlinge organisiert sind. Fünf weitere gibt es bei Lok Jerichow.

Dass in Brettin die Intergrationsbemühungen gute Fortschritte gemacht hätten, so der Landrat, sei auch das Verdienst von Ortsbürgermeister Werner Pamperin. Er habe die Herausforderung angenommen, was nicht selbstverständlich gewesen sei. Er habe nicht Ja oder Nein gesagt, sondern danach gefragt, wie Integration funktionieren solle. Dabei habe er stets einen direkten Draht gefordert, würdigte der Landrat das Wirken des Ortsbürgermeisters. Ein durchwachsenes Fazit zog der Ortsbürgermeister allerdings bei den Arbeitsgelegenheiten, die Flüchtlinge im Anerkennungsverfahren über das Bundesleistungsgesetz im Jugendklub und beim Verein eingegangen waren.

Generell, sagte Werner Pamperin, sei es nachteilig gewesen, dass die Flüchtlinge aus Genthin und nicht aus Brettin gekommen wären. Während die Arbeitsleistung der Flüchtlinge beim Sportverein, wie Uwe Heidemann sagte, zufriedenstellend waren, soll es keinen weiteren Einsatz im Jugendklub mehr geben. Werner Pamperin: „Das war eine Nullnummer, die Leute haben hier nicht reingepasst.“ Die Brettiner hätte ihn angesprochen, ob die Leute nur rumhängen und ob dort überhaupt noch etwas passiert. Letztlich hätten keine Jugendlichen mehr den Klub besucht.

Der anwesende Amtsleiter Jörg Börstler erklärte in diesem Zusammenhang, dass die Ausländerbehörde für Personen im Verfahren selbst Verträge für Arbeitsgelegenheiten abschließen könne. „Tätigkeiten können durch uns vermittelt werden. Wir brauchen aber ein Signal. Eine solche Problemstellung ist lösbar. Dies hängt von der Bereitschaft und von den Fähigkeiten der zu vermittelten Personen ab.“ (Anmerkung: Für die anerkannten Flüchtlinge gelten andere Regelungen über das Job-Center.)

Der Landrat ergänzte daraufhin, dass man bei der Auswahl der Personen sich erst im Umfeld umsehen und erst dann den Blick nach Genthin richten sollte. Sowohl Amtsleiter Jörg Börstler als auch Stefanie Glomm versicherten speziell dem TSV Brettin/Roßdorf, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, ihn wieder mit ein bis drei Arbeitsgelegenheiten zu unterstützen. Die Dokumente würden gemeinsam mit dem Kreissportbund und dem DRK vorbereitet, hieß es.

Jerichows Bürgermeister Harald Bothe (parteilos) nahm dies zum Anlass, die offizielle Integrationspolitik des Bundes zu kritisieren. Es sei schwer, Flüchtlinge in Arbeit zu bringen, wenn andere Partner, etwa die Bundesagentur für Arbeit oder das Jobcenter ihre Vorgaben nach den Buchstaben des Gesetzes umsetzen müssen. Flüchtlingsheim-Betreuer Ulrich Geisheimer vom DRK bat den Landrat, sich bei einer Sitzung des Aufsichtsrates der NJL für die Einrichtung der Bus-Haltestelle am Hohenbelliner Weg stark zu machen. Auf Anfrage informierte Polizeiobermeister Lutz Pelzer, dass das Objekt am Hohenbelliner Weg regelmäßig bestreift werde. Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei fünf Straftaten im Asylbewerberheim, zwei davon waren Streitigkeiten unter den Bewohnern, wurde erläutert.