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Chronisten-Treff Kleinbahnen ganz groß

Beim Ortschronistentreffen im Kreishaus Genthin referierte Dirk Endisch über die Geschichte des Bahnbetriebswerkes Jerichow.

Von Simone Pötschke 24.04.2017, 10:00

Genthin l „Das Ortschronistentreffen verfügte möglicherweise diesmal nicht über das typische Publikum“, räumte auch Museumsleiterin Antonia Beran ein. Dennoch sicherte ihr Gespür für das aktuelle Thema ein großes Interesse. Eine Eisenbahner-Fangemeinde aus Thüringen, Stendal, Magdeburg, aus dem Havelland, Brandenburg und nicht zuletzt aus dem ganzen Jerichower Land folgte der Einladung des Kreismuseums zu einem Vortrag von Dirk Endisch, freischaffender Publiziert und Eisenbahner.

„Das Museum hat mit dem Autor im Zuge seiner Recherchen zum Buch schon länger Zeit in Verbindung gestanden, so dass wir jetzt auf ihn beim Ortschronistentreffen zurückgreifen konnten“, sagte Antonia Beran.

Sein vor gut vier Wochen erschienenes Buch „Das Bahnbetriebswerk Jerichow“ wird von Superlativen begleitet.

Denn das Buch, an dem er seit 1984 arbeitete, beschreibt erstmals auf der Grundlage ausführlicher Recherchen die Entwicklung von der Hauptwerkstatt der Genthiner Kleinbahn hin zum Bahnbetriebswerk. Auch die Außenstellen wie Burg unterzieht er einer Betrachtung. Endisch ist in seiner Branche kein Neuling. Er hat bereits über die Bahnbetriebswerke in Blankenburg, Eilsleben, Haldensleben, Mügeln, Magdeburg, Oschersleben, Salzwedel und Staßfurt publiziert.

Reizvoll allerdings am Bahnbetriebswerk Jerichow: Es war mit einst 170 Mitarbeitern in den 1980er Jahren das kleinste Bahnbetriebswerk im Direktionsbereich Magdeburg.

Dirk Endisch vermittelte in seinem Vortrag profunde und ausgesprochen detaillierte Kenntnisse von den Anfängen des Bahnbetriebswerkes um das Jahr 1899, als die Genthiner Kleinbahn AG den Verkehr auf den Strecken Genthin – Schönhausen und Genthin – Milow aufnahm, bis hin zu den 1990er Jahren, als das kleine Bahnbetriebswerk ausgedient hatte. Mit Peter Hartung saß ein eingefleischer Eisenbahn-Fan und gelernter Eisenbahner im Publikum, der sich ehrenamtlich im Traditionsverein Kleinbahn des Kreises Jerichow I e.V. in Magdeburgerforth engagiert. „Hier dabei zu sein, ist doch selbstverständlich“, sagte er.

Für Ortschronisten, die sich sonst nicht so intensiv mit Eisenbahngegeschichte beschäftigen, erwies sich der Vortrag von Endisch, gespickt mit den vielfältigsten Angaben zu Loktypen sowie Lok-Baureihen und Zuständigkeiten, schon als schwere Kost. Der harte Kern der Ortschronisten nahm dies allerdings gelassen. „Auch mit Eisenbahngeschichte habe ich als Ortschronistin hin und wieder zu tun, deshalb bin ich heute hier“, sagte Marlies Kenter aus Zabakuck.

„Vieles war wirklich sehr fachspezifisch, aber bei manchem habe ich mir an einigen Stellen gedacht: ‚Guck an, das ist ganz interessant‘“, sagte Christiane Wagner, Ortschronistin aus Parey.

Beispielsweise Dirk Endischs Ausführungen zum so genannten Katastrophen-Zug (ausgestattet mit Energieversorgungs-, einem Operations-, einem Küchen- und zwei Bettenwagen), der einst vornehmlich militärischen Zwecken diente. Von 14 in der DDR vorgehaltenen Zügen hatte einer seinen Standort in Jerichow. Für Jerichow als Standort sprach Endisch zufolge der Umstand, dass die Elbestadt abseits von Hauptstrecken lag, was den Geheimhaltungsbestrebungen der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland und der Nationalen Volksarmee entgegen kam. Außerdem hatte es in Jerichow genügend freie Abstellgleise und Personal für die Unterhaltung des Zuges gegeben.

Der „K-Zug“ aus Jerichow befindet sich heute im Eisenbahnmuseum in Wittenberge und ist durch glückliche Umstände als einziger erhalten geblieben.

Antonia Beran wollte nach dem Vortrag von Dirk Endisch die Brücke zu den Ortschronisten schlagen. Ortschronisten seien möglicherweise an Informationen zum Warentransport interessiert. Wo diese zugänglich wären, fragte Beran. Endisch verwies Interessenten an das Landeshauptarchiv in Dessau.