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Demokratieprojekt Geschichte hautnah erlebt

20 Jugendliche aus Genthin, Jerichow und Elbe-Parey reisten kürzlich nach Bernburg, Berlin und Sachsenhausen.

Von Mike Fleske 06.12.2017, 00:01

Genthin/Bernburg/Berlin l „Für mich war die Reise sehr beeindruckend“, sagt Anabell Guckuck. Die 15-Jährige war eine von 20 jungen Teilnehmern zwischen 15 und 25 Jahren aus Genthin, Jerichow und Elbe-Parey, die eine Reise nach Bernburg, Berlin und Sachsenhausen unternahmen, um sich mit deutscher Geschichte zu beschäftigen.

Besonders die Gedenkstätte Bernburg hinterließ einen bleibenden Eindruck bei den Jugendlichen. „Ich fand es gut, dass an die Opfer mit Bild erinnert wird und dass immer weiter nach Namen recherchiert wird“, meinte Jeany Berndt. Auf dem Gelände der heutigen Fachklinik Bernburg wurden von 1940 bis 1943 über 14.000 kranke und behinderte Menschen durch Gas getötet.

Wesentliche Teile der Vernichtungsanlage sind erhalten geblieben, darunter die Gaskammer. Sie stehen im Mittelpunkt der Gedenkstätte, die im Jahr 1989 eröffnet wurde. Für die Schülerinnen war dieser Bereich besonders bedrückend. „In der Gruppe ist es dann ganz still geworden“, erinnern sie sich. „Es ist nicht einfach zu begreifen, wenn man Gaskammern unter einer Klinik besichtigt, in denen Kinder vergast wurden“, beschreibt es der 17-jährige Paul Konietzke. Am Abend wurden Schicksale von Menschen und die Geschichte der Klinik aufgearbeitet.

So wurden etwa Lebensläufe von Opfern wie von Tätern nachvollzogen und in kurzen Referaten den anderen vorgestellt. Die Täter waren zivile Ärzte oder Krankenpfleger, mit deren Biografien sich die jungen Leute auch beschäftigten. „Es war für uns interessant zu sehen, wie die Jugendlichen mit den durchaus schwierigen Themen umgingen“, fügte André Eikel hinzu. Er ist Leiter des Genthiner Jugendhauses Thomas Morus.

Eikel war einer von sechs mitgereisten Begleitern aus der Jugendarbeit im Jerichower Land. „Wir haben die Gesprächsrunden moderiert und versucht, die Aufbereitung der Informationen zu unterstützen.“ Die späteren Präsentationen wurden von den Jugendlichen selbst aufbereitet. „Wir hatten vieles bereits in der Schule, aber viele Informationen aus den Vorträgen waren sehr interessant“, sagte Paul.

Ein weiterer Schwerpunkt der Fahrt war die Beschäftigung mit der Ausgrenzung im Sport zur Zeit des Nationalsozialismus. Dafür besuchte die Gruppe das Berliner Olympiastadion und das olympische Dorf. Hier ging es in Gesprächen und Rundgängen besonders um die Olympischen Spiele von 1936, die in Berlin stattfanden. Auch mit der Geschichte von ausländischen oder jüdischen Sportlern beschäftigten sich die jungen Leute.

„Ich hätte nicht gedacht, wie groß das Olympiagelände tatsächlich ist“, meint Anabell Guckuk. Für sie war es genau so erstaunlich, welche Entwicklung das Olympische Dorf nahm. Denn nach den Spielen war es erst Lazarett, nach dem Zweiten Weltkrieg zog die sowjetische Armee auf dem Gelände ein und nutzte es bis 1992. Den Abschluss der Reise bildete ein Besuch der Jugendgruppe in der Gedenkstätte des früheren KZ Sachsenhausen.

Nach Schätzungen wurden dort während des Dritten Reiches mehrere Zehntausend Menschen umgebracht. Insgesamt waren zwischen 1936 und 1945 mehr als 200.000 Menschen eingesperrt.

Die jungen Besucher wurden von Fachleuten über das Gelände begleitet. „Die Informationen haben uns geholfen, einige Hintergründe besser zu verstehen“, meinte Jeany und Anabell fand, dass einige Erläuterungen besser vermittelt worden seien, als es in der Schule möglich sei. Paul kannte die Gedenkstätte allerdings durchaus bereits durch den Unterricht: „Ich war dort zum dritten Mal.“ Die Drei können die vom Jugendhaus Thomas Morus initiierte und vom Regionalen Arbeitskreis (RaJa) durchgeführte Fahrt empfehlen. „Es wäre gut, wenn so etwas wieder angeboten wird“, finden Jeany und Anabell.

Finanziert wurde die Reise aus dem Finanztopf des Bundesprogrammes „Demokratie leben!“ mit rund 5580 Euro. „Für uns war diese Aktion sehr erfolgreich, da sich die Teilnehmer sehr eingehend und engagiert mit der Thematik beschäftigt haben und Gespräche über die Geschichte in Gang gekommen sind“, zieht André Eikel ein positives Resümee.