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Fit im Frühling Sport frei: Gut zu Fuß

Volksstimme-Redakteure testen die Sparten des Genthiner Sportvereins "Chemie." Als Erstes war Wandern dran.

Von Kristin Schulze 29.04.2017, 10:00

Genthin l Sport ist gesund, setzt Glückshormone frei und vertreibt den Winterspeck. Doch welche Sportart ist die richtige? Wir testen uns durch die Sektionen von Genthins größtem und vielseitigstem Verein, dem „SV Chemie“.

 

Meine erste Wanderung beginnt auf vier Rädern. Pünktlich um 9 Uhr rollt der Bus vor, der uns von Genthin nach Nielebock bringen wird. Schon bevor ich meinen Platz eingenommen habe, sind die ersten Nettigkeiten ausgetauscht. Der Busfahrer grüßt freundlich durchs Mikrofon, dann wird allen „Aprilkindern“ zum Geburtstag gratuliert.

Die Themen im Bus sind vielfältig: „Hast du es gesehen? Die Anni Friesinger ist gestern rausgeflogen“, ist vom Nachbarsitz zu hören. Aha, die Vox-Doku „Ewige Helden“ ist hier genau so beliebt wie bei uns zu Hause. Die erste Gemeinsamkeit ist gefunden.

„Sieht nach Regen aus“, höre ich aus den hinteren Reihen. „Kein Problem, ich habe Regensachen eingepackt“, tröstet eine Frau ihren Gatten. Ich schaue sorgenvoll nach draußen, mit wasserdichter Kleidung kann ich nicht dienen, ich bin noch immer froh, flache Schuhe gefunden zu haben.

In Nielebock trennt sich die Truppe. Traditionell gibt es bei den Wanderungen des SV-Chemie eine kleine Tour (12 Kilometer) und eine lange (18). Die „kleine Gruppe“ steigt in Nielebock aus, auch ich springe aus dem Bus.

Wolfgang Schultz übernimmt die Leitung der großen Tour, meine Gruppe wird von Karin Mielke angeführt. Von der Nielebocker Bushaltestelle machen wir uns auf den Weg nach Seedorf.

„Die ersten Kilometer rauschen oft an uns vorbei“, sagt Karin Mielke. „Da wird geschnattert, schließlich hat man sich einen Monat nicht gesehen.“ Schnattern kann ich, das kommt mir entgegen.

So lerne ich Giesela Buchholz kennen. Die 64-Jährige lebt im brandenburgischen Zitz. Mit den Genthinern auf Wanderschaft geht sie seit fünf Jahren. „Seit dem Vorruhestand.“ Die Faszination Wandern erklärt sie so: „Natur, nette Menschen und man tut etwas für sich.“

Da ist etwas dran. Besonders gefallen mir die Gespräche, die zwischen Nielebock und Seedorf geführt werden. Wann hat man im täglichen Alltagsstress schon mal Gelegenheit, sich ausgiebig zu unterhalten?

Vorne hat Karin Mielke alles im Griff. Sie kennt die Strecke und weiß, wo sich Pausen anbieten. Ebenso wichtig ist der „letzte Mann“ der Truppe. Helmut Bunge ist heute der „Wadenbeißer“. Er bleibt hinter allen anderen und passt auf, dass niemand verloren geht. Der 74-Jährige lebt in Altenweddingen, zu den Genthinern ist er durch Mützeler Verwandtschaft gekommen, schon seit 15 Jahren ist er dabei. „Ich bin ein Wanderbursche“, erzählt mir Herr Bunge und dass ich ihn gefälligst duzen soll. Das machen Wanderfreunde grundsätzlich. Helmut ist schon in Bulgarien, Tschechien und auf dem Rennsteig gewandert. Auch der Brocken ist ein beliebtes Ziel. „So bleibt man in Bewegung.“ Auch die nette Gesellschaft schätzt er. Einen Tipp fürs Leben gibt es für mich noch inklusive: „Wenn dir die Gespräche nicht gefallen, lässt du dich einfach ein Stück zurückfallen.“

Und tatsächlich der Gesprächsstoff ist so abwechslungsreich wie die Landschaft. Große Themen wie der Anschlag in Schweden kommen genau so zur Sprache wie die Frage nach den richtigen Wanderschuhen.

Ich geselle mich zur Gruppe von Christel Senger. Hier wird gerade über die Bespaßung der Enkel gefachsimpelt. Ich habe zwar noch keine Enkel, kann hier aber sicher ein paar Tipps für meine Kinder abstauben.

Karin Mielke läutet unterdessen die erste Pause ein. Die machen wir an der Seedorfer Kirche. Wäre ich hier ohne diese Wanderung jemals hergekommen? Wahrscheinlich nicht. Was schade gewesen wäre, denn das Gotteshaus ist wirklich schön. Insgesamt nimmt man die Landschaft sehr intensiv wahr, wenn man zu Fuß unterwegs ist. Die Bänke, das Grün, die kleine Katze, die etwas von den Butterbroten abhaben will.

Ein Rucksack gehört zur Grundausstattung eines jeden Wanderers. Sogar ich habe einen dabei. Zwar sind keine Regensachen darin, die brauchen wir zum Glück auch nicht, aber Käsestullen und Äpfel.

Brote, Eier, Kaffee, Wurst... Die Wegzehrung der anderen kann sich sehen lassen. Mich fasziniert besonders, was Ruth Manleitner alles aus ihrem Rucksäckchen zaubert. Neben Hauptspeise und Kompott hat sie auch eine Thermoskanne und Sitzkissen dabei. Dass das im Hause Manleitner so reibungslos funktioniert, liegt an der Arbeitsteilung: Sie packt den Rucksack, Ehemann Kurt trägt ihn.

Ich bin ein wenig ins Schwitzen gekommen. Doch bevor ich mich meiner Jacke entledigen kann, erfahre ich, dass man sich in der Pause keinesfalls auszieht. „Sonst friert man hinterher“, sagt Ruth. Die Jacke bleibt also an.

Wir wandern am Elbe-Havel-Kanal entlang zurück nach Genthin. Der Kanal führt seit 1845 an Seedorf vorbei, was die Ansiedelung einer Ziegelei zur Folge hatte, die bis zum Ersten Weltkrieg in Betrieb war. Sie sehen, Wandern ist gut für die Allgemeinbildung.

„Und für die Gesundheit“, sagt Christel Wilhelms. „Du tust etwas für Gelenke, Lunge und Herz.“ Außerdem geht es auch ein bisschen in die Beine, als wir in Genthin ankommen, haben wir immerhin zwölf Kilometer in selbigen. Doch der herrliche Blick über den Kanal, die hupenden Schiffe und die Anemonen entschädigt.

Zum Schluss kehren wir auf dem Gelände des Kreissportbundes am Seedorfer Weg ein. Hier wartet Vera Meier und gibt Ostereier und Osterwasser auf ihren 85. Geburtstag aus.

Während die Truppe sich zu Fuß auf den Weg ins Genthiner Zentrum macht, ergattere ich einen Platz im Auto von Fritz Mundt. Der Vorsitzende des Sportvereins ist wegen einer Knieverletzung nicht mitgewandert, die Ostereier von Chemie-Urgestein Vera Meier lässt er sich aber nicht entgehen. So endet meine erste Wanderung wie sie begonnen hat, auf vier Rädern.

 

Lesen Sie im zweiten Teil am Sonnabend, 6. Mai: Redakteurin Simone Pötschke testet den Reha-Sport.