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Gottesdienst Respekt vor gelebter Nächstenliebe

Mit einem Festgottesdienst in der Trinitatiskirche wurde das 160-jährige Bestehen des Genthiner Diakonissen-Mutterhauses gefeiert.

Von Simone Pötschke 22.05.2017, 07:00

Genthin l Zahlreiche Gäste fanden sich am Freitag zum Festgottesdienst unter der Leitung von Superintendentin Ute Mertens ein. Dazu zählten hochrangige Vertreter der evangelischen Kirche, der Diakonie und der Johanniter. Die Politik war mit dem Bürgermeister der Stadt Genthin, Thomas Barz, vertreten.

Festredner Oberkirchenrat i. R. Thomas Begrich, selbst einige Jahre in Genthin tätig, ging in seinen Ausführungen zwangsläufig auf wesentliche Pfeiler der Geschichte ein, um Gegenwart und Zukunft des Genthiner Diakonissen-Mutterhauses zu würdigen.

160 Jahre - schlimme und schöne Zeiten hätten diese mit sich gebracht, sagte er. Thomas Begrich erinnerte daran, dass es in der evangelischen Kirche 1848 einen Aufruf zur Schaffung der inneren Mission gegeben hatte, um Notleidenden und Kranken im Land zu helfen.

1849 entsteht in diesem Zuge in Danzig ein „Weiblicher Verein zur Armen- und Krankenpflege“. Evangelische Geistliche treiben dann die Gründung eines kleinen Kinderkrankenhauses voran.

Eine aus Ludwigslust entsandte Diakonisse nimmt hier ihren Dienst auf. 1860 wird dann eine eigene Schwesternschaft gegründet. Umzüge und Erweiterungen folgen, bis 1892 die Stiftung „Diakonissen-Mutterhaus“ entsteht. 1932, so Thomas Begrich, gab es in Danzig 450 Diakonissen. 78 hätten im folgenden Zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren.

Eine tiefe Zäsur in der Geschichte des Mutterhauses stellte dann das Jahr 1945 mit der Vertreibung dar. 150 Danziger Diakonissen fanden seinerzeit in Genthin eine neue Heimat und im Krankenhaus sowie in verschiedenen Außenstationen neue Aufgaben als Schwestern. Das Genthiner Krankenhaus, 1866 gegründet, war nach dem Krieg, als der Johanniterorden in der sowjetischen Besatzungszone verboten wurde, von der Evangelischen Kirche verwaltet worden und wurde 1991 wieder Johanniter-Krankenhaus.

Thomas Begrich sagte - mit einem entschuldigenden Blick zu Schwester Dorothea Graumann gerichtet -, dass ihm 1981, als er nach Genthin kam, die Diakonissen immer etwas tuddelig vorgekommen seien. Wenn sie aber aus ihrem Leben erzählten, habe er tiefen Respekt vor ihrer gelebten Nächstenliebe, ihrer Barmherzigkeit und ihrem Gottvertrauen empfunden. Er erinnerte beispielsweise an Diakonisse Margot Keßler, eine von zwei Diakonissen, die, auf sich all- eingestellt, mit 120 Kindern nach Mecklenburg floh und dabei 30 Kinder verlor, von denen sie einige im Straßengraben hinterlassen mussten.

„Die Diakonissen sind für mich starke Frauen. Was haben die Schwestern im Genthiner Krankenhaus nicht alles geleistet“, sagte Thomas Begerich und erinnerte unter anderem an Schwester Luise Peters im OP und Charlotte Rahneberg als Hebamme, die viele Genthiner auf die Welt geholfen hätte. Er könne eine lange Namensliste von Diakonissen mit einem bewegenden Lebenslauf aufführen, so der Festredner.

Den Bogen zur Gegenwart schlug Begrich über den Leitspruch des Diakonissen-Mutterhauses Jesaja 40, 31. Die Welt, legte er ihn aus, ist von Menschen gemacht und ist nicht einfach. Das sei früher wie heute der Fall.

„Von den Schwestern haben wir gelernt, dass Nächstenliebe und Gottvertrauen keine leeren Wörter sind. Geben Sie dies an Ihre Enkel weiter“, forderte er die Gäste des Festgottesdienstes auf, „auch wenn wir vermutlich nicht mehr das 200. Jubiläum erleben werden.“

Bis 1994 lebten die Diakonissen auf dem Gelände des Krankenhauses, unter anderem auch im Waldhaus, mittlerweile haben sei ein in einem Mutterhaus am Birkenwäldchen ein Zuhause gefunden, das anderen Bewohnern altengerechtes Wohnen ermöglicht. Hier befindet sich auch eine Tagespflege der Johanniter-Unfallhilfe.

„Der Kreis hat sich geschlossen “, sagte Ulrich von Bismarck vom Johanniter-Orden in seinem Grußwort, der über Jahrzehnte enge persönliche Beziehungen zum Diakonissen-Mutterorden pflegte. Genthins Bürgermeister Thomas Barz sagte in seinem Grußwort, dass das Diakonissen Mutterhaus einen „Meilenstein“ in der Geschichte der Region Genthin darstelle. Dem Festgottesdienst folgte ein kleiner Empfang an der Kirche.