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Haushaltsdefizit Nein zu höheren Steuern

Beim Hauptausschuss des Genthiner Stadtrates fielen Steuererhöhungen mehrheitlich durch.

Von Simone Pötschke 20.06.2016, 07:00

Genthin l Nachdem die Ortschaftsräte bis auf Tucheim Steuererhöhungen ablehnten, tat sich auch der Hauptausschuss mit einer Entscheidung schwer. Die Verwaltung hatte im Zuge der Haushaltsplanung - für das laufende Jahr liegt immer noch kein bestätigter Haushalt vor - zwei Varianten für Steuererhöhungen vorgeschlagen. Beide gelten als „Eintrittskarten“, um Mittel für den Ausgleichsstock, Zuwendungen des Landes für leistungsschwache Kommunen, zu erhalten. Daran knüpfen sich allerdings weitere Einsparnachweise, etwa bei Gebühren und bei freiwilligen Leistungen an.

Bis auf die SPD-Fraktion stimmten alle Fraktionen gegen eine Steuererhöhung - eine seltene Harmonie unter den Fraktionen. „Wir haben in der Fraktion kontrovers diskutiert“, sagte Heinrich Telmes von der Fraktion Pro Genthin. Beide Varianten verzögerten nur den Zeitpunkt, wann die Stadt zahlungsunfähig sein wird, hinaus. „Im Prinzip haben wir nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, zivilen Ungehorsam zu üben.“

Franz Schuster von der Ländlichen Wählergemeinschaft Fiener formulierte seine Ablehnung kurz und knapp: „Eine Erhöhung der Grundsteuer A und B trifft besonders die Dorfbevölkerung. Solange wir als Stadt immer noch die Sauna bezuschussen, bin ich gegen Steuererhöhungen.“ Harry Czeke (Die Linke) wollte dies nicht stehen lassen: Steuererhöhungen würden auch bei ihm als Mieter durch Umlagen genauso ankommen, sagte er. Czeke: „Das sind Maßnahmen, als ob der Zwangsverwalter schon bereits vor der Tür steht.“

Klaus Voth, Fraktionschef der CDU-Fraktion: „Wir wollen aus dem Finanzsumpf herauskommen. Die Mehrheit unserer Fraktion lehnt jedoch Steuererhöhungen ab. Wir können sie den Bürgern nicht vermitteln. Mit Steuererhöhungen wird das Sterben der Stadt nur verlängert.“ Andy Martius von der CDU-Fraktion sagte, dass die finanzielle Situation Genthins „für eine vermurkste Landes- und Bundespolitik“ stehe, die die Stadträte nicht zu verantworten hätten.

Dennoch gab Martius zu bedenken, dass Genthin irgendwann nicht um Steuererhöhungen rumkommen würde, denn derzeit bewegten sich die Hebesätze der Einheitsgemeinde im Vergleich zu anderen Kommunen immer noch im unteren Niveau, übrigens vergleichbar mit Elbe-Parey und Jerichow. Andy Martius unterstrich aber auch, dass jeder im Haushalt eingesparte Euro später wieder mehrfach abgegeben werden müsse. Damit hob er beispielsweise auf die Wirkung des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) ab, das mit geringeren Landeszuweisungen auf gutes Wirtschaften reagiert und somit keine Anreize schafft.

Auch die Fraktion Die Grünen/Bündnis 90 signalisierte, sich gegen Steuererhöhungen auszusprechen. Die gegenwärtige Situation sei ein Signal an Bund und Länder, die Kommunen endlich finanziell auskömmlich auszustatten. Nitz spitzte zu: „Ich kenne viele Kommunen, die um ein Vielfaches mehr als Genthin verschuldet sind, etwa unsere Partnerstadt Datteln - und es geht immer weiter und weiter.“ Er zweifelte aber auch an, dass Genthin im Vergleich zu anderen Kommunen des Landkreises so schlecht dastehen soll. „Ich höre immer nur negative Zahlen, ehe ein Zwangsverwalter kommt, muss noch eine Menge passieren.“

Und: „Trotz aller Widrigkeiten des Haushaltes sollten wir nicht so pessimistisch sein und nicht immer alles gleich erhöhen, um vorauseilend einen Haushalt herzustellen. Auch andere Kommunen haben ihre Schwierigkeiten.“ Nitz plädierte dafür, abzuwarten, wie sich das FAG entwickelt. „Jetzt wäre es besser, alle Kommunen solidarisierten sich und üben gemeinsam Druck auf das Land aus.“

Die SPD-Fraktion, vertreten durch Helmut Halupka, sorgte in diesem Kontext dann doch für eine Überraschung. Sie sprach sich als einzige im Stadtrat vertretenen Fraktion für Steuererhöhungen nach der Variante I aus. Halupka erklärte: „Wir haben Verantwortung in der Stadt in guten wie in schlechten Zeiten. Wenn es heute nicht zu einer Einigung kommt, sitzen wir hier wieder in einigen Monaten. Jetzt haben wir die Möglichkeit, Liquidität zu erlangen. Sind wir zahlungsunfähig, kommt der Verwalter.“

Barz hielt wie erwartet an seiner bisherigen Linie fest: „Wir brauchen unbedingt eine geordnete Haushaltsführung. Bisher haben wir zwei Millionen Euro jährlich eingespart. Sofern wir im Falle der bevorstehenden Zahlungsunfähigkeit, ohne Anhebung der Steuersätze ist es innerhalb des Jahres 2017 der Fall, Liquiditätshilfe vom Land erhalten, müssen auch diese Mittel von uns zurückgezahlt werden. Unserer Prognose liegen ehrliche Zahlen zugrunde. Zurzeit leben wir nur noch von Krediten. Innerhalb eines Jahres mussten wir fünf Millionen Euro Liquiditätskredite aufnehmen. Auch diese müssen zurückgezahlt werden. Wir zahlen Kredite mit Krediten zurück. Geschieht nichts, ist die Stadtentwicklung auf Jahre nicht mehr möglich.“ Barz geht davon aus, dass der Haushalt, der dem Stadtrat zum Beschluss vorgelegt wird, nicht genehmigungsfähig ist.