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Historische Schrift Brücke in die Vergangenheit

Eine Einführung in die Kurrentschrift gab Kreismuseumsleiterin Antonia Beran in der Genthiner Stadt- und Kreisbibliothek.

Von Mike Fleske 08.11.2016, 00:01

Genthin l „Die Buchstaben fassen sich alle an“, erläuterte Antonia Beran eine Besonderheit der fortlaufenden Kurrent-Schreibschrift und deutete auf eine Tafel auf der der schöne Satz „Wer lesen kann, hat viel Freude dran“ geschrieben stand. Allerdings nicht in der vielen geläufigen lateinischen Schreibschrift, sondern in der sogenannten Kurrentschrift. Diese ist wesentlich eckiger und hat einige Besonderheiten. „Es gibt das spitze ‚s‘ im Wort in der Unterscheidung zum ‚s‘ am Ende des Wortes“, erläuterte Antonia Beran.

Daneben gab es auch die Unterscheidungen zwischen den Buchstaben ‚n‘ und ‚u‘, die einzig durch Häkchen gemacht werden. Mit den Tücken dieser Schrift konnten sich die rund zwölf Teilnehmer der Veranstaltung selbst beschäftigen. Denn für jeden war eine kleine Schiefertafel mit Griffel und Vorlagenblättern bereitgelegt. „Das ist ja fast wie früher in der Schule“, wurde von den Besuchern gewitzelt.

Ein wenig war es tatsächlich so, als Antonia Beran Anweisungen gab wie: „Das kleine ‚e‘ lässt sich schreiben, wie zwei aufeinanderfolgende Einsen.“ Was für die heutigen Teilnehmer eine ungewohnte Art des Schreibens war, wurde rund 100 Jahre an Schulen gelehrt. Zum Wechsel des 19. auf das 20. Jahrhundert war die Schrift überall geläufig. „Durch die zusammenhängenden Buchstaben konnte man wesentlich flüssiger schreiben, als dass bei einzelnen Buchstaben der Fall war“, erläuterte die Museumsleiterin. Die Teilnehmer der Veranstaltung hatten ganz unterschiedliche Beweggründe zum Besuch der Veranstaltung. Einige beschäftigten sich mit der Erschließung von historischem Archivmaterial.

Klaus Zelmanski, Leiter des Genthiner Handwerker-Männerchores, wollte alte Niederschriften in den Protokollbüchern seines Chores lesen können. „Ich habe hier eine Ausgabe, in denen Protokolle der Jahre 1880 bis 1896 niedergelegt sind, die sind alle handschriftlich zu Papier gebracht“, erläuterte er die mitgebrachten Unterlagen, in denen vom Kassieren der monatlichen Beiträge und von Kassenständen die Rede war. Ganz gleichmäßig war die Handschrift zu Papier gebracht worden. „Aber wenn der Schriftführer gewechselt hat, sah das Schriftbild gleich wieder anders aus“, erläuterte Zelmanski. Man müsse sich schon sehr genau einlesen.

„Oft kann man aus der Beziehung der Wörter auf den Sinn schließen.“ Die Veranstaltung sei eine Möglichkeit, sich die Kurrentschrift etwas exakter anzueignen. Christa Juhr wollte über die Schrift einen Bezug zu ihren Vorfahren finden. „Bei einer Wohnungsauflösung habe ich eine Reihe von Briefen gefunden, deren Inhalt ich über die Kenntnis der Schrift genauer erschließen möchte“, beschrieb sie. Diese Schreibschrift sei eine Brücke in die Vergangenheit. Viele der Teilnehmer sahen es als sehr schade an, dass die schöne Handschrift immer mehr in Vergessenheit gerät. Deshalb bestand der Wunsch, mehr über die Entwicklung der Schrift zu erfahren. Am 22. November um 17 Uhr wird Antonia Beran erneut in der Bibliothek zu Gast sein und über „Die Geschichte der Schrift: Von der Antike bis zur Gegenwart“ referieren.