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Köppen-Archiv Literaturschatz wird geborgen

Seit Jahresbeginn ist der Edlef-Köppen-Freundeskreis mit der Digitalisierung des Nachlasses des Genthiner Schriftstellers befasst.

Von Mike Fleske 30.08.2016, 07:00

Genthin/Potsdam l Es ist eine umfangreiche Beschäftigung, der sich die Mitglieder des Edlef-Köppen-Freundeskreises derzeit widmen. Stück für Stück arbeiten sie sich durch den 3500 Seiten umfassenden Nachlass des in Genthin geborenen Schriftstellers Edlef Köppen (1893 bis 1937). Manchmal werden die Dokumente mit Lupe und großem Zeitaufwand entziffert, aber letztlich gelingt es doch.“ Und es lohnt sich. Die tausendenden von Seiten bringen einen neuen Köppen zum Vorschein. So sind in der Sammlung Entwürfe für ein Lustspiel, nicht veröffentlichte Seiten des Romanes „Heeresbericht“, Tagebucheintragungen, Filmskripte und Notizen zu finden.

Das Material stammt aus einer Sammlung im Potsdamer Museum. Wie es dort hingekommen ist, bleibt fast im Dunkeln. Ein Fahrer des Museums soll die insgesamt sechs Kartons Ende der 1960er Jahre möglicherweise von der Familie Grottke erhalten haben, die die Dokumente für die Witwe des Schriftstellers verwahrte. Hede Köppen war Ende der 50er Jahre in den Westen geflohen. Im Potsdamer Museum lagerte das Material lange Jahre unbeachtet, bis der Heimatforscher und Köppen-Experte Wilhelm Ziehr sich mit dem Material beschäftigte und damit die nun fortschreitende Digitalisierung anstieß. 2014 waren Teile des Materials in der Ausstellung „Zu Hause im Krieg – Im Krieg zu Hause“ zum 100. Jahrestag des Ersten Weltkriegs im Potsdamer Museum zu sehen.

In der vergangen Woche kamen die Verantwortlichen für das Köppen-Archiv im Potsdamer Museum zusammen. „Bei der Aufarbeitung des im Potsdam Museum lagernden Materials war Dr. Wilhelm Ziehr eine unersetzbare Hilfe, der Förderverein Jerichower Land e.V. hat dankenswerterweise die Finanzierung der Digitalisierung übernommen“, erläuterte die Direktorin des Potsdam Museums, Dr. Jutta Götzmann. „Nach der digitalen Zusammenführung des Materials in der Bibliothek Genthin wird dort der Nachlass einsehbar sein“, kündigte sie an.

Für die Genthiner ist das neue Material ein weiterer Meilenstein in ihren Bemühungen, den Namen „Edlef Köppen“ wieder einem breiteren Publikum bekannt zu machen. Köppen kämpfte als Kriegsfreiwillige rim Ersten Weltkrieg und wurde durch seine Erfahrungen an der Front zum Pazifisten. Diese schrieb er in seinem 1930 veröffentlichten Antikriegs-Roman „Heeresbericht“ nieder. Nach verschiedenen Stationen im Verlagswesen wurde er 1925 in den Beirat der Funkstunde berufen und war dort ab 1929 als Leiter tätig. Unter seiner Ägide entstanden anspruchsvolle Rundfunkbeiträge zu Literatur und Kultur. „Köppen hat alle bekannten Schriftsteller der zwanziger Jahre in seinen Sendungen vorgestellt“, sagt Wilhelm Ziehr.

Köppens Tätigkeit setzten die Nationalsozialisten im Juni 1933 ein Ende. Er begann 1934 beim Film zu arbeiten und war ab 1936 als Chefdramaturg der Tobis Europa Film AG tätig. Zu allen Lebensstationen von Edlef Köppen findet sich Material im Nachlass. „Es ist nicht immer leicht damit umzugehen, oft sind es Ausrisse, schnell hingeworfene Notizen und Einfälle, die kaum lesbar sind.“ so Gabriele Herrmann. „Der Mann hatte eine Sauklaue“, bringt es Wilhelm Ziehr trotz seiner Bewunderung für den Schriftsteller deftig auf den Punkt. „Das Material wird katalogisiert und digital im Computer abgelegt, die Texte werden abgetippt und sind so auch für uns lesbar“, erläutert Gabriele Herrmann die Arbeit. Das Archiv wächst in den kommenden Monaten weiter an und wird vor allem für Wissenschaftler, Heimatforscher und Studenten eine wahre Fundgrube sein.

„Wir schauen auch, dass wir Querverweise zu Namen erstellen können.“ Denn Köppen hatte mit vielen großen Literaten seiner Zeit zu tun. Etwa Alfred Döblin, die Brüder Mann oder Gottfried Benn. Letzterer gratulierte Köppen 1932 zu dessen Beförderung zum Leiter der Hörspielabteilung. „Endlich ein Fall, wo das Verdienst belohnt wird, das intellektuelle wie das moralische Deutschland erwacht. Gestern war A-Sitzung und es wurde viel von Ihnen gesprochen.“ Köppen sei zu dieser Zeit deutschlandweit anerkannt gewesen, meint Wilhelm Ziehr, der den Schriftsteller in der aktuell erschienen Fachtextsammlung „Museumsfenster“ (be.bra Wissenschaftsverlag, 112 Seiten, Paperback) vom Potsdamer Museum, würdigt. Wer einen Blick in das Köppen-Archiv in der genthiner stadt- und Kreisbibliothek werfen möchte, kann sich unter der Telefonnummer 039 33/ 80 56 27 oder per E-Mail info@bibliothek-genthin.com melden.