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Nachwuchsproblem Leere Lehrstellen in Genthin

Seit Jahren bleiben angebotene Lehrstellen im Jerichower Land frei. 500 Ausbildungsangebote gibt es, nicht einmal die Hälfte ist besetzt.

Von Juliane Just 15.07.2016, 06:01

Genthin l Jahrelang sah es für Firmenchefs äußerst positiv auf dem Lehrstellenmarkt aus. Die wenigen Ausbildungsplätze, die angeboten wurden, waren hart umkämpft und zahlreiche Bewerbungen flatterten ins Haus. Inzwischen ist dieser Umstand ins Gegenteil umgeschlagen, denn nun müssen Arbeitgeber um künftige Azubis bangen, weil viele Lehrstellen mangels Bewerbungen oder fehlender Qualifikation unbesetzt bleiben müssen. Im Jerichower Land wurden laut der Agentur für Arbeit für dieses Jahr 486 Ausbildungsplätze angeboten. Insgesamt 250 und damit mehr als die Hälfte davon sind noch unbesetzt. „Rein rechnerisch kommen derzeit auf jeden Bewerber 1,16 Ausbildungsstellen“, sagt Jana Echternach, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit in Magdeburg.

In einer Liste der aktuellen Berufswünsche von Jugendlichen aus dem Jerichower Land steht laut der Agentur für Arbeit der Beruf des Verkäufers an erster Stelle. Darüber kann Kerstin Matthews, Inhaberin des Lebensmittelmarktes E-Centers an der Geschwister-Scholl-Straße nur den Kopf schütteln. „Ich könnte ab August zwei weitere Auszubildende einstellen, doch in diesem Jahr ist es sehr schwierig“, erzählt sie. Noch vor zehn Jahren habe sie stapelweise Bewerbungen erhalten, nun lägen gerade einmal fünf auf ihrem Schreibtisch. „Ich weiß nicht, wie ich die Zeit ohne zwei weitere Arbeitnehmer überbrücken soll“, so Matthews. Vor allem die langen Öffnungszeiten schrecken die jungen Menschen ihrer Meinung nach von dem Beruf des Verkäufers ab. Dabei gäbe es gute Zukunftsperspektiven.

Diese hat E-Center-Chef Martin Matthews beispielsweise im vergangenen Jahr beim Job-Tempo-Meeting im Lindenhof vorgestellt und in Kurzgesprächen, Sekundarschüler über die Lehre im Handel informiert. „Wir haben aber mit der Ausbildung zum Verkäufer und Einzelhandelskaufmann einen schweren Stand", bedauert er. Früh- und Spätschichten sowie Samstagsarbeit seien nicht gerade der Renner bei den Schülern. „Dabei gibt es gute Weiterbildungs- oder Studienmöglichkeiten, wer mobil und lernbereit ist, kann im Handel schnell aufsteigen."

Beim Gartencenter „Kühne grün erleben“ ist ebenfalls noch eine Ausbildungsstelle zum Gärtner frei. „Die Bewerberzahlen schwanken seit Jahren. Es ist schwierig“, sagt Torsten Kühne, einer der Inhaber des Gartencenters mit Hauptsitz in Dresden. Derzeit seien drei Auszubildende im Genthiner Center, die in drei Jahren in Theorie und Praxis geschult werden. So wie die 19-jährige Justine Konietzke, die vor zwei Jahren ihre Ausbildung zur Floristin in dem Gartencenter begonnen hat. „Die Arbeit ist äußerst kreativ und macht Spaß“, sagt sie. Ob nun bis August noch ein passender Bewerber in der Gärtnerei gefunden wird, bleibt fraglich. „Vier Bewerbungen sind bisher eingegangen“, berichtet Kühne. Er sieht das Problem der wenigen Bewerber in der Abwanderung der jungen Menschen in Richtung der Großstädte.

Für das Handwerk steht in den ersten Monate 2016 ein dickes Plus: deutlich mehr junge Menschen interessieren sich wieder für einen Beruf im handwerklichen Bereich. Das kann Peter Ewert, Inhaber der gleichnamigen Tischlerei, jedoch nicht bestätigen. „Wir haben noch zwei Lehrstellen frei“, so Ewert. Fünf Bewerber habe er in diesem Jahr. „Immer mehr junge Leute wollen studieren. Da bleiben handwerkliche Berufe auf der Strecke", erzählt er. Dabei seien die Möglichkeiten für duales Studieren (Im Betrieb und in der Hochschule) gut wie nie. Ewert versucht wie viele andere Firmenchefs in der Region, mit der Teilnahme an Berufsfindungs- und Informationstagen gegenzusteuern, um mit Schulabgängern in Kontakt zu treten.

Wer bisher noch keine passende Lehrstelle gefunden hat, sollte die Hoffnung jedoch nicht aufgeben. Grundsätzlich können sich Interessierte auch jetzt noch für freie Lehrstellen bewerben. „Kurz vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres setzen wir zusammen mit den Ausbildungsmarktpartner alles daran, die noch nicht versorgten Bewerber in eine passende Ausbildungsstelle zu vermitteln“, so Jana Echternach. Die derzeitige Situation habe für junge Berufsanfänger insofern Vorteile, dass die Arbeitgeber „hier und da auch mal ein Auge zudrücken“. Arbeitgeber konkurrieren nun vermehrt um Nachwuchs und die Chance für einen der dreijährigen Ausbildungsplatz erhöhe sich damit in der Region.