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Sachbuch Erinnerungen an die Zuckerfabrik

Ein im September erscheinendes Buch beschäftigt sich mit der Zuckerfabrik in Genthin. Es birgt allerlei Überraschungen.

Von Massimo Rogacki 20.05.2016, 15:00

Genthin l Man merkt Berndt Franke an, dass er glücklich ist. Im September soll sein Buch über die Genthiner Zuckerfabrik erscheinen. In einer ersten Auflage von 200 Exemplaren. Preis: rund 25 Euro. Am Mittwochabend sind etwa 50 Besucher in die Stadt- und Kreisbibliothek gekommen, um den Ausführungen von Berndt Franke zu lauschen. Fast alle haben selbst in der Zuckerfabrik gearbeitet. Viele haben dem Autor Material zugeliefert. Dementsprechend interaktiv geht es zu, als Berndt Franke Bilder und Texte seines ehrgeizigen Buchprojekts präsentiert.

„Den hat Piepmatz gesteuert“, rufen einige Besucher, als sie das Bild eines umgekippten Krans erblicken. Die meisten nicken betroffen, als der frühere Ingenieur Franke von der Sprengung des Schornsteins und der Stillegung der Fabrikgebäude erzählt. Die Geschichte hat Franke selbst miterlebt. Von 1978 bis 1990 hat er in der Fabrik gearbeitet. Ein kurzer Zeitraum in Anbetracht der langen Geschichte. Von 1901 bis 1990 war die Zuckerfabrik einer der größten Arbeitgeber in der Region und hat das Leben vieler Genthiner maßgeblich geprägt.

Darin lag auch die Motivation bei der Konzeption des Buches, sagt Franke. Es gehe ihm darum, einen Einblick in die bewegte Historie der Produktionsstätte zu vermitteln, sagt er. Dazu zählen die Auseinandersetzungen des Standortes mit dem damals herrschenden Zuckerkartell in den Jahren nach der Gründung sowie die Zuckerproduktion während der Kriege.

Aber auch die Enteignung 1946 und die Übernahme als VEB Zuckerfabrik nach Gründung der DDR. In den 1970er-Jahren wurden in Genthin täglich etwa 1600 Tonnen, in den 80er-Jahren 2000 Tonnen Zuckerrüben verarbeitet. 1990 wurde die Fabrik endgültig geschlossen. Franke musste sich, wie viele andere auch, beruflich neu orientieren. Zuletzt war er als Betriebsleiter tätig.

Als er als Rentner damit begann, Fotos und Archivtexte für ein mögliches Buch zusammenzutragen, sei nicht daran zu denken gewesen, welche Wogen es einmal schlagen könnte. Man habe gespürt, dass viele Menschen eine einzigartige Beziehung zu der Produktionsstätte haben. „Deshalb ließ sich die geplante Auflage von 100 Exemplaren mittlerweile verdoppeln“, verkündet Francke.

Bei jedem der von ihm gezeigten Fotos wird im Publikum getuschelt. Jüngere Aufnahmen vom betriebseigenen Blasorchester, von Treffen auf der Kegelbahn oder vom Betriebsgelände – in Frankes Präsentation erkennen sich viele wieder. Wenn der frühere Ingenieur nach Namen oder Fakten ringt, springen ihm Zuhörer zur Seite. „Der Traktor hatte also vier Zylinder, nicht fünf.“ „Können Sie mir sagen, was in diesem Gebäude untergebracht war? Aha, ein Arzt.“

Nur auf diese Weise lässt sich das Mosaik zur Geschichte der Zuckerfabrik zusammensetzen. Berndt Franke kündigt an, alle Hinweise und Anregungen bis zur Drucklegung seines Erstlings einarbeiten zu wollen. Er geht davon aus, dass er noch längst nicht alle Materialien aufgestöbert hat. Nach zwei Stunden ist der Parforceritt durch die Geschichte beendet.

Franke bedankt sich bei allen, die ihm zugearbeitet haben, erwähnt die Zuwendung von Nordzucker, die das Buchprojekt unterstützen. Bei den letzten Bildern wird es ganz still im Raum. Zur Schließung der Fabrik, so Franke, wolle er nichts mehr sagen. Da möge sich doch jeder sein eigenes abschließendes Urteil bilden.

Wenn Sie Berndt Franke mit weiteren Materialien unterstützen möchten: Rufnummer 03933/80 64 32, E-Mail: berndt-christel.franke@t-online.de.