1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Genthin
  6. >
  7. Wenn die Mappe auf dem Hintern hängt

Schulanfang Wenn die Mappe auf dem Hintern hängt

Das wichtigste Utensil des Erstklässlers ist der Ranzen. Was man beim Kauf beachten muss, erklärt Bernhard Roßmann aus Genthin.

Von Kristin Schulze 21.04.2017, 01:01

Volksstimme: Es gibt Unmengen an Ranzen verschiedenster Formen und Marken. Was muss der Käufer beachten?

Bernhard Roßmann: Unverzichtbar ist die Beratung im Fachgeschäft. Die Mappe ist ein orthopädisch wichtiger Artikel. Bei der Einschulung ist der Rücken noch jung und zart, der richtige Ranzen hat eine oft unterschätzte Bedeutung. 

Reicht es nicht aus, im Internet zu recherchieren?

Dann bekommen sie ganz viele Zahlen und können Gewicht, Fassungsvermögen und Wasserdichte vergleichen. Wirklich weiter bringt Sie das nicht.

Wenn die Mappe kein Wasser durchlässt, ist das aber schon ein gutes Zeichen, oder?

Wasserdicht ist jede gute Mappe. Wirkliche Unterschiede merkt man bei diesem Vergleichspunkt erst, wenn man das Kind durch eine Autowaschanlage laufen lässt. Für den richtigen Ranzen ist diese Größe also recht unrelevant. Viel wichtiger ist die Rückseite. Das Gewicht muss so verlagert werden, dass keine Verspannungen an der Rückenmuskulatur auftreten.

Wie verhält es sich mit dem Gewicht? Das kann man doch gut vergleichen.

Ja, aber man kann nicht pauschal sagen, dass die leichtere Mappe die bessere ist. Ranzen wiegen zwischen 800 und 1300 Gramm. Der Unterschied ist so leicht wie ein Päckchen Kaffee. 

Immerhin ein halbes Kilo.

Das Durchschnittskind wiegt zur Einschulung 22 bis 26 Kilogramm und ist 1,20 Meter groß. Jedes Kind hat aber eine andere Haltung. Von Buckel bis Hohlkreuz gibt es unzählige Abstufungen. Wichtig ist, wie die Mappe auf dem individuellen Kinderrücken sitzt, nicht ob sie 1000 oder 1200 Gramm wiegt. In den ganz leichten Mappen wird zum Beispiel oft auf Zwischenwände verzichtet. Diese Exemplare sind eine gute Wahl für sehr leichte Kinder (unter 15 Kilo). Ein normal schweres Kind ist nach einem Jahr aus so einer Mappe rausgewachsen. Auch eine zu kleine Mappe provoziert Haltungsschäden.

Was zeichnet ein gutes Fachgeschäft aus?

Fachpersonal, das regelmäßig geschult wird. Außerdem die individuelle Beratung. Wichtigster Punkt sollte sein, wie die Mappe sitzt. Natürlich kann man die Mappe mit dem Bild nehmen, welches das Kind sich wünscht. Das sollte aber nicht Priorität haben.

Wie lange hält eine gute Mappe?

Mindestens drei Jahre. Nach Beendigung der Grundschule ist eine gute Zeit, sich nach einer neuen oder einem Rucksack umzusehen.

Ab wann eignet sich ein Rucksack?

Frühestens ab der vierten Klasse. Kindliche Motive suchen sie auf Rucksäcken vergebens, eben weil sie nicht für Kinder, sondern Jugendliche sind. Ein Rucksackträger sollte um die 38 Kilogramm wiegen.

Warum sollte es zur Einschulung kein Rucksack sein?

Das passt von den Proportionen noch nicht. Die Unterstützung der Hartschale, die eine gute Mappe bietet, fehlt beim Rucksack.

Was kann passieren, wenn ein Kind die falsche Mappe trägt?

Es kommt zu Haltungsschäden. Die Knochen sind in diesem Alter noch weich, die Wirbel können sich verformen. Vier Jahre später sind die Knochen ausgereifter und härter. Ein Schaden, der dann da ist, bleibt.

Was gibt es für Trends bei den Schulmappen?

Neben den klassischen Mappen werden Rucksackranzen immer beliebter.

Und die sind geeigneter als normale Rucksäcke?

Ja, denn ein Beckengurt sorgt für die Entlastung der Muskeln. Der macht aber nur Sinn, wenn er richtig gut und fest sitzt. Auch ein Vorteil der Fachberatung, hier bekommt man gezeigt, wie alles verschnallt wird. Wenn der Gurt perfekt sitzt, ist ein Rucksackranzen meiner Meinung nach sogar besser als die klassische Mappe. Er bietet sich vor allem bei längeren Schulwegen an.

Warum?

Weil das Wichtigste am Rucksackranzen der Beckengurt ist. Den legt ein Kind nicht für einen Weg von zwei Minuten an. Läuft es aber 15 Minuten durchs Dorf, lohnt sich das eher. Und dann entlastet ein Rucksackranzen die Muskeln gut. Falsch verschnallt oder ganz ohne Gurt verliert er allerdings den Vergleich mit der klassischen Mappe.

Was muss man in eine Mappe investieren?

Etwa 200 Euro. Bei den Herstellern haben sich Sets, in denen Federtasche, Etui und Turnbeutel enthalten sind, etabliert. Wenn Sie das auf drei Jahre rechnen, sind das 25 Cent, die Sie am Tag in die Rückengesundheit des Kindes investieren. Sparen kann man aber mit Modellen aus dem Vorjahr. Die sind genau so gut, man hat allerdings nicht so eine große Auswahl.

Haben Sie einen abschließenden Tipp für alle Mappenkäufer?

Gesundheit ist wichtiger als Optik. Die teuerste Mappe nützt nichts, wenn sie nicht richtig sitzt. Als Faustregel gilt: Zwischen Rücken und Mappe sollte man nicht durchgucken können. Und: Wenn die Mappe auf dem Hintern hängt, sitzt sie falsch. Bei richtigem Sitz hinterlässt sie dagegen keine Schäden, sondern hat einen Trainingseffekt.