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Steuererhöhung Zwölf Klagen beschäftigen Genthin

Gegen die Erhöhung der Steuersätze klagen Bürger aus Genthiner Ortschaften.

Von Simone Pötschke 16.05.2017, 07:00

Genthin l Genthins Bürgermeister Thomas Barz versandte am Wochenende Post an alle Mitarbeiter der Einheitsgemeinde, Stadträte, an die Ortsbürgermeister und an Ortsvorsteher Schuster.

Ein Vorgang mit Seltenheitswert spielte sich dabei in der Kanalstadt ab: Zum einen informierte Bürgermeister Barz in seinem mehrseitigen Schreiben über die eingereichten Klagen aus den Ortsteilen Schopsdorf, Paplitz und Gladau und zum anderen über die Haushaltssperre, die er als Folge dessen verhangen hat.

Dem Vernehmen nach soll Barz in seinen Zeilen seiner Verwunderung Ausdruck verliehen haben, nicht schon bei der Stadtratssitzung Ende April über die Klagen informiert worden zu sein.

Dass sich eine „Klagewelle“ anbahnen würde, kommt jedoch nicht wirklich überraschend. Den Kurs von Bürgermeister und der Mehrheit des Stadtrates, den zweifelsohne desolaten Haushalt Genthins über Steuererhöhungen zu konsolidieren und damit die Handlungsunfähigkeit der Kommune im letzten Augenblick zu verhindern, stießen in Paplitz, Schopsdorf und Gladau seit Wochen auf Widerstand. Ihre Ortsbürgermeister bzw. der Amtsvorsteher in Paplitz pochten beharrlich auf die bestehenden Gebietsänderungsverträge, die erst in zwei Jahren eine Steuerangleichung mit der Stadt Genthin vorsehen.

Bürgermeister Thomas Barz argumentierte im Gegenzug, dass sich die finanzielle Situation der Stadt in einer Art und Weise dramatisch verändert habe, die beim Abschluss der Gebietsänderungsverträge noch nicht absehbar gewesen wäre.

Kontroverse Diskussionen in den Ortschaftsräten, im Stadtrat, ein abgeschmetterter, weil nicht vom Ortschaftsrat legitimierter Widerspruch der Schopsdorfer und Gladauer Ortsbürgermeister und des Paplitzer Ortsvorstehers, mündeten letztlich in der Empfehlung des Landrates, den Genthiner Steuererhöhungsbeschluss nochmals den Ortschaftsräten vorzulegen, um einen Klageweg zu vermeiden.

Das wurde gemacht, aber wieder gab es eine Ablehnung. „Wenn unser Vorschlag ernst genommen worden wäre, die Steuern wie im Gebietsänderungsvertrag vereinbart in den betreffenden Fienergemeinden zeitlich versetzt anzuheben, hätte es sicherlich keinen Aufstand in Paplitz, Schopsdorf und Gladau gegeben“, sagt Franz Schuster heute. Der Vorschlag wurde als „unsolidarisch“ abgelehnt.

Die Positionen sind mittlerweile festgefahrener denn je. Während der Bürgermeister und die Mehrheit des Stadtrates davon ausgehen, dass die Steuererhöhungen unabdingbar waren, um bis zum Jahr 2022 Schritt für Schritt einen so genannten „echten“ Haushaltsausgleich zu erzielen, machen die Kläger der Kommune „nun einen Strich durch die Rechnung“.

„Es geht uns wahrlich nicht um das Geld, das wir als Steuern zu zahlen haben. Schließlich tragen wir auch ein Prozessrisiko. Es geht uns um Prinzip, um das Recht der Bürger. Bestehende Verträge dürfen nicht gebrochen werden“, wiederholen die Stadtratsmitglieder Franz Schuster (Ländliche Wählergemeinschaft Fiener) und Klaus Voth (CDU).

Leichter Optimismus klingt aus ihren Worten: Vergleichbare Gerichtsverfahren, die sich mit ähnlichen Sachverhalten in Osterwieck und Oberharz beschäftigen, gingen zugunsten der Kläger aus.

Bürgermeister Barz sieht das anders, spricht von anderen Voraussetzungen in diesen Kommunen. Er ist der Überzeugung, dass der Genthiner Stadtratsbeschluss zu den Steuerhöhungen einer juristischen Prüfung standhalten werde. Bei den Ortschaften, erklärt er, gebe es vier verschiedene Konstellationen.

Schopsdorf hatte den so genannten „Haushaltsvorbehalt“ in der Genehmigung, da bereits damals die Festschreibung der Steuersätze nicht mehr durch die Landesregierung genehmigt werden sollte.

Der Ortschaftsrat Tucheim habe einer Steuererhöhung zugestimmt. Mit den ehemaligen Gemeinden Gladau und Paplitz – auch Tucheim - wurden Vereinbarungen geschlossen, die gerade Möglichkeiten vorsehen, aufgrund derer man abweichen kann. „Die bisher durch Verwaltungsgerichte entschiedenen Fälle hätten solche Klauseln nicht“, führt Barz an.

Sicher ist, dass das Verfahren der Stadt Genthin Geld kosten wird. Aber auch dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen. Mit 200 000 Euro beziffert Barz diesen Betrag, der sich aus den Steuermehreinnahmen aus Paplitz und Gladau, Mindereinnahmen aus dem Finanzausgleichsgesetz (FAG) der nächsten Jahre und den Prozesskosten zusammensetzt.

Mit Blick auf den Gesamthaushalt von zirka 20 Millionen handele es sich um ein Prozent, rechnete Barz vor.

Viel zu hoch angesetzt und unrealistisch – so schätzen Franz Schuster und Klaus Voth diesen Betrag ein.