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Theater Gazakonflikt aus persönlicher Sicht

Im Genthiner Lindenhof wird das Stück „Ich werde nicht hassen“ aufgeführt. Es schildert den Gazakrieg aus der Sicht eines Arztes.

Von Mike Fleske 05.04.2017, 08:00

Genthin l 2009 verlor der Arzt Izzeldin Abuelaish beim Beschuss seines Hauses in Gaza drei seiner Töchter und eine Nichte. Doch anstatt in Wut und Hass zu verfallen, ging er als Arzt nach Toronto, gründete eine Friedensstiftung und rief zur Versöhnung auf. Aus seinem Engagement entstand das Stück „Ich werde nicht hassen“, das die LehnschulzenHofbühne Viesen heute Abend mit Schauspieler David Kosel in Genthin auf die Bühne bringt. Über das Stück sprach die Volksstimme mit Wolfram Scheller, künstlerischer Leiter der Viesener Bühne.

Volksstimme: Wie sind Sie auf das Stück aufmerksam geworden?

Wolfram Scheller: Die ehemalige Leiterin der LehnschulzenHofbühne, Katja Lebelt, hatte 2015 die Uraufführung dieses Monologs in Stuttgart gesehen und war sehr berührt von dieser Inszenierung. Da wir immer sehr offen für aktuelle politische Themen sind, fiel uns die Entscheidung nicht schwer, ebenfalls diesen Monolog zu produzieren. Wir waren das zweite Theater in Deutschland, das „Ich werde nicht hassen“ zur Aufführung brachte.

Welche Unterschiede gibt es bei Ihnen im Vergleich zur Stuttgarter Aufführung?

In Stuttgart wurde das Stück mit einem Schauspieler arabischer Herkunft im mittleren Alter besetzt. Das entsprach eins zu eins der Vorlage. Wir haben lange darüber nachgedacht, wie wir eine Besetzung hinbekommen, die das Ganze gewissermaßen um eine Perspektive aus unserer mitteleuropäischen Sicht verstärkt.

Die Regisseurin Fanny Staffa schlug dann den im Vergleich sehr viel jüngeren „deutschen“ Schauspieler David Kosel vor. Das fanden wir faszinierend, zumal dadurch noch ein Generationenunterschied zur Hauptfigur entstand. Also nicht nur ein sehr spannungsgeladenes Thema, sondern auch eine äußerst spannende Besetzung. Unsere Absicht war, die schrecklich verfahrene Situation des Nahostkonflikts sehr nah in unsere „heile“ Welt zu transportieren.

Wie haben Sie sich auf das Stück vorbereitet?

Fanny Staffa und David Kosel haben sich sehr intensiv auf diesen Monolog vorbereitet. Höhepunkt ihrer Auseinadersetzung mit dem Stoff war eine Reise nach Israel, um ein Gespür zu bekommen für das Leben dort. Sie besuchten auch die ehemalige Wirkungsstätte des Arztes, das Sheba Hospital in Tel Aviv. Das hat enormen Einfluss auf die weitere Erarbeitung der Inszenierung gehabt, zum Beispiel auch auf die sehr reduzierte Form der Ausstattung.

Gibt es Reaktionen des Publikums auf das Stück, welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Die Reaktionen des Publikums waren überwältigend. Sowohl bei den Vorstellungen bei uns in Viesen (im Rahmen des Festivals Viesener Theaterfrühling), als auch bei den verschiedenen Gastspielen in Braunschweig, Halle, Magdeburg oder Hamburg. Wir laden danach immer zu Publikumsgesprächen ein, die eine große Resonanz haben.

Die Menschen haben ein sehr starkes Bedürfnis, im Anschluss über das Thema zu diskutieren. Das ist gewissermaßen schon ein fester Bestandteil der Inszenierung geworden. Bei uns in Viesen sind Leute danach auch einfach schweigend vom Hof gegangen und konnten nicht mehr über irgendwas reden oder sich am Lagerfeuer noch mit anderen austauschen. Das ist schon sehr berührend und für uns Theatermacher eigentlich eine Bestätigung, dass Theater immer noch eine große Kraft hat.

Warum sollten Zuschauer den Abend besuchen?

Die Inszenierung ist ein Angebot - so wie jeder andere Theaterabend auch. Wir laden ein, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Das Stück ermöglicht an einem sehr individuellen Schicksal einen intensiven Einblick in eine andere Welt, in der Krieg, Verfolgung und gegenseitiger Hass seit Jahrzehnten auf der Tagesordnung stehen. David Kosel bei diesem Schauspiel zuzuschauen und mit ihm diesen Konflikt zu durchleben, ist ein wirklich besonderes Erlebnis. Er macht das mit einer Intensität und Spielfreude, die den ganzen Abend trägt. Das ist pures Schauspielertheater. Für uns ist diese Inszenierung von Fanny Staffa wirklich eine Perle, die wollen wir möglichst vielen Zuschauern nicht vorenthalten.

Das Theaterstück „Ich werde nicht hassen“, ist durch „Demokratie leben!“ gefördert und wird am 05. April 2017 um 19 Uhr im Genthiner Lindenhof kostenfrei aufgeführt. Sitzplatzreservierungen sind im Rathaus (Raum 203) oder am Veranstaltungsabend möglich.