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Theaterstück Vorführung bewegt die Schüler

Es ist ein bewegendes Ein-Personen-Theaterstück wurde in Genthin aufgeführt: „Zigeunerboxer“ von Rike Reiniger.

Von Mike Fleske 23.03.2017, 08:19

Genthin l Sechs zu einem Haufen gestapelte Stühle, ein Schauspieler. Das ist der Ausgangspunkt für das Ein-Personen Theaterstück „Zigeunerboxer“ der Berliner Autorin Rike Reiniger. In dieser Woche wurde es mehrfach vor Schulklassen in der Stadt- und Kreisbibliothek aufgeführt. Darsteller Andreas Kunz beeindruckte in der Rolle des Hans, der sich an seine Zeit mit seinem Boxfreund Wilhelm Weiß zurückerinnert. Dieser Wilhelm Weiß ist dem hannoverschen Sintoboxer Johann Trollmann nachempfunden, der Rukeli genannt wurde, in den 1920er und 30er Jahren ein erfolgreicher Sportler war und im Dritten Reich, verhöhnt, verfolgt und letztlich auch ermordet wurde.

Andreas Kunz zeigte eine eindrucksvolle Leistung. Als Hans ist er ständig auf der kleinen Fläche im Veranstaltungsraum der Bibliothek unterwegs. Die Stühle stapelt er während seiner Erzählungen ordentlich aufeinander oder er wirft sie in einem Gefühlsausbruch quer durch den Raum. Mal sind sie Sitzmöbel, mal Boxring. Kunz kann den lauten Aufschrei, wie den ruhigen Zwischenton, setzt sich neben eine Schülerin, erzählt und dann: Ein Aufschrei. Denn den blonden Hans quälen die Erinnerungen an seinen einstigen Freund Rukeli.

„Willst du meine Erinnerungen haben?“, fragt er einen Schüler direkt. Der schüttelt mit dem Kopf und Hans muss seine Erinnerung behalten, denn die Vergangenheit kann man nicht ablegen. „Sie ist nie vorbei“. Hans erzählt von der Freundschaft mit Ruki, dem Boxer. Von gemeinsamen Boxnachmittagen, von Rukis Aufstieg zum Deutschen Meister. „Ruki boxt nicht aus Wut, er boxt mit dem Herzen“. Der Meistertitel wird ihm aberkannt, obwohl er klar nach Punkten gewinnt und das boxkundige Publikum protestiert. Aber 1933 darf das nicht sein.

Bei seinem letzten öffentlichen Kampf steigt Ruki, wie auch Trollmann 1936 in Wirklichkeit mit blond gefärbten Haaren und mit Mehl bestäubtem weißen Gesicht mutig in den Ring und präsentierte seine Definition des „deutschen Kampfstils“. Er wich seinem Gegner nicht aus und ließ sich K.O. schlagen. Vielleicht war es ein politisches Statement, vielleicht Trotz, aber der Sportler setzte ein Zeichen. Doch am Ende sind die Machthaber stärker, nehmen ihn fest. Im KZ kommt er um. Im Stück durch die Hand seines Freundes Hans, der damit nicht fertig wird. „Anfang ist, wenn das Ende aufhört. Aber das Ende hört nicht auf.“ Das Stück hinterließ bei seiner Premiere in Genthin zutiefst beeindruckte Schüler der 10. Klassen des Bismarck-Gymnasiums.

„Ich habe gedacht, es ist eine unspektakuläre Buchpräsentation, aber das war wirklich packend“, meinte beispielsweise Emily Beck. „Ich habe Ihnen, das was sie gesagt haben, abgenommen.“ Für ihre Mitschülerin Nina Schirrmeister war der Stoff sehr aktuell. „Ich finde das Stück gut gelungen.“ Auch Lehrerin Angelika Döbberthin war voll des Lobes: „Sie haben dem Thema Nationalsozialismus ein persönliches Gesicht gegeben.“ Im Gespräch mit der Autorin und dem Schauspieler erfuhren die Besucher, dass die Figur des Hans komplett erfunden ist. „Die Geschichte um Wilhelm Weiß entspricht aber sehr dicht der von Johann Trollmann“, erklärte Rike Reiniger. „Nur die Todeszene von Rukeli ist erfunden, das war in Wirklichkeit anders.“

Andreas Kunz erzählte, dass er das Stück rund 100 mal gespielt habe. Dadurch habe er Routine, mit dem Stoff umzugehen. Das Spiel mit den Stühlen sei dadurch entstanden, dass das Stück von Anfang an für Schulklassen ausgelegt war. „Stühle findet man in jedem Klassenraum.“ Allerdings bringt das Team mittlerweile eigene Exemplare mit. „Bei den Proben sind manche zu Bruch gegangen.“ Wer das Stück sehen möchte, hat heute Abend die Möglichkeit. Ab 19 Uhr wird es eine durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ geförderte Aufführung für die Öffentlichkeit in der Stadt- und Kreisbibliothek geben. Eine Anmeldung unter 03933/80 56 27 ist gewünscht.