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Protest Milchbauern fürchten um Existenz

Bundesweit klagen Bauern über die negativen Auswirkungen der dritten Milchkrise in sechs Jahren. In Langenstein haben sie über ihre Nöte berichtet.

Von Dieter Kunze 28.08.2015, 14:40

Langenstein l Bei den Betroffenen liegen die Nerven blank. Die Milchpreise für die Erzeuger sind dramatisch abgestürzt und drohen weiter zu fallen.

„Wenn wir in den Stall gehen, zahlen wir wegen der finanziellen Verluste quasi Eintritt“, sagte Jürgen Meenken bei dem Treffen mit Abgeordneten auf dem Milchhof in Langenstein. Die Perspektivlosigkeit bereite allen Sorge. Der Markt allein werde es nicht richten. Die produzierte Menge sei zu hoch. Um gegen die Molkereien und den Handel mehr Möglichkeiten zu haben, müsse es ein „Bündnis der Milch vor der Molkerei“ geben, erläuterte Meenken.

Im eigenen Betrieb habe er die Zahl seiner Kühe von 300 auf 480 erhöht, um eine höhere Effektivität zu erreichen. Für die eigene Futterversorgung würden 270 Hektar Land bewirtschaftet. Dank der Biogasanlage mit ihrer 200 Kilowatt-Leistung könnten einige Probleme abgefangen werden. Dagegen habe in jüngster Zeit wegen der behördlichen Auflagen viel investiert werden müssen. So zum Beispiel in den Umbau des Siloplatzes, einen weiteren Güllebehälter und das Diesellagers seien über 400 000 Euro geflossen.

Lauftext

 

„Wir sind in die Falle gelaufen“, so Meenken. Ein Teil der Jungviehaufzucht sei schon verkauft worden. Der Langensteiner: „Der Betrieb kann aber dem Milchwagen nicht laufend Geld hinterher werfen.“ Die Zusagen des Landwirtschaftsministers in Magdeburg in Form zusätzlicher Kreditmöglichkeiten könnten nicht die Lösung sein.

Für Romuald Schaber, den Vorsitzenden des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM), liegen die Ursachen in dem kürzlich europaweit abgeschafften System der Milchquote sowie dem Nachfragerückgang in China und dem Boykott in Russland. „Wir bekommen eine griechische Lösung“, befürchtet Schaber.

Die Betriebe hätten viel in ihre Zukunft investiert und viele müssten jetzt schließen. Der Verbandschef: „Die Europäische Union kann bei außergewöhnlichen Situationen aber eingreifen.“ Deshalb wolle man den Protest bis nach Brüssel tragen.

„Die Bauern allein werden es nicht schaffen“, ist sich der CDU-Landtagsabgeordnete Bernhard Daldrup sicher. Bestraft werde jetzt, wer – auch nach den gesellschaftlichen Forderungen – investiert habe. Der einzige Weg sei, die produzierten Milchmengen zu senken. Die Politik müsse aber auch an benachteiligte Regionen, den Erhalt von Familienbetrieben und die nötige Landschaftspflege denken.

Keinen Illusionen gibt sich auch Bundestagsabgeordneter Kees de Vries (CDU) aus dem Wahlkreis Anhalt hin. Er betreut über 1000 Kühe auf seinem Hof. Für ihn steht fest: „Der Sektor wird überleben, aber viele Betrieb nicht.“ Er sehe ebenfalls außer dem Wirken des Marktes keine andere Lösung. Der Strukturwandel müsse weitergehen, aber eine Mengenregulierung könne helfen, zeigte sich Kees de Vries überzeugt.

Der BDM schlägt unterdessen ein „innovatives Milchmarkt-Krisenmanagement“ vor. Dabei sollte es finanzielle Anreize und eine Monitoringstelle geben. Das unterstützt Peter Schuchmann, BDM-Landesteamleiter Sachsen-Anhalt. Wie dramatisch die Lage für die Milchbauern aktuell sei, dazu verschafften sich auch Vertreter aus Thüringen Luft. Weil aber „im Bundestag Sachlichkeit keine Priorität hat“, so de Vries und nicht alle Beteiligten wie der Deutsche Bauernverband) mitziehen würden, konnte bei dem Treffen nicht viel Hoffnung verbreitet werden.

Tenor: Schließlich liebten die Verbraucher billige Preise, forderten aber gleichzeitig, mehr Geld für das Tierwohl auszugeben.