Geschichte Spurensuche

Ausstellung thematisiert Todesmärsche.

Von Renate Petrahn 04.09.2015, 15:40

Langenstein l Es wird davon ausgegangen, dass von den etwa 750 000 Häftlingen aus Konzentrationslagern und Gefängnissen mehr als 250 000 bei den Todesmärschen ums Leben kamen.

Diesem „letzten organisierten Massenverbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands“ widmet sich die Ausstellung „Spurensuche – Die Todesmärsche in den Dokumenten des International Tracing Service (ITS) Bad Arolsen“.

Der Internationale Suchdienst ist ein Zentrum für Dokumentation, Information und Forschung zur nationalsozialistischen Verfolgung, NS-Zwangsarbeit und zur Shoa. Der Suchdienst verfügt mit rund 30 Millionen Dokumenten über eine der weltweit größten Sammlungen von Unterlagen über zivile Opfer des deutschen Faschismus und wurde 2013 durch die UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

Dr. Susanne Urban, die Leiterin der Abteilung Forschung und Bildung beim IST, hat die Wanderausstellung kuratiert. Die Gestaltung erfolgte durch conceptdesign, Günter Illner, Bad Arolsen. Auf sieben Bannern (Roll-Up), die auf der Grundlage neuer Dokumente entwickelt wurden, führt zunächst ein kurzer Text in die Thematik ein. Danach werden die Herkunft und Vielfalt der Dokumente beschrieben. Im Anschluss folgen zwei Biografien von Opfern der Todesmärsche, deren sterbliche Überreste identifiziert werden konnten. Als Überleitung zu einer dritten Biografie dienen Erinnerungssplitter Überlebender an die Todesmärsche, die Überlebenden an die Todesmärsche, die Dokumenten des ITS entnommen wurden.

„Es gibt immer noch zu viele weiße Flecken in Sachsen-Anhalt.“

Kai Langer, Direktor Gedenkstätten

Die dritte Biografie des jüdischen Überlebenden Eric Imre Hitter skizziert dessen Leben in Zitaten vor, während und nach der Befreiung. Die totale Hoffnungslosigkeit, die ihn während der Todesmärsche ergriff, macht die Relevanz deutlich, die den Zeugnissen Überlebender inne wohnt, heißt es seitens des IST.

Am Donnerstag wurde die Wanderausstellung im Beisein von etwa 50 Gästen in Langenstein-Zwieberge feierlich durch Dr. Kai Langer eröffnet. Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt und amtierender Leiter der Gedenkstätte für die Opfer des KZ Langenstein-Zwieberge, sprach auch über den Ausbau der Gedenkstätte Isenschnibber Feldscheune bei Gardelegen. Sie soll zu einem modernen Dokumentations- und Bildungszentrum, vor allem zur Erforschung der Todesmärsche, werden. Kai Langer: „Es gibt immer noch zu viele weiße Flecken in Sachsen-Anhalt.“

Wie die Ausstellung ausgewählte Einzelschicksale in den Fokus rückt, widmete sich auch die anschließende Lesung einem Einzelschicksal, des Belgiers Bernard Klinger, Häftling in Langenstein-Zwieberge. Juliane Zein und Stefan Helmholz vom gemeinnützigen Dachverein Reichenstraße Quedlinburg, lasen aus seinem Buch „Der Weg, den wir gingen“. Die Reportage von Klieger wurde 1946 als eines der ersten Bücher von Überlebenden der deutschen Konzentrationslager veröffentlicht. Die erste deutsche Ausgabe aus dem Jahr 1975 besorgte der Autor selbst.

Durch eine geschickte dramaturgische Aufbereitung des Buches übermittelten die Vorleser ein komplexes Bild des Lagerkosmos Langenstein-Zwieberge. Während Juliane Zein die allgemeine Situation des Lagers, in der sich die Häftlinge und somit auch Klieger befanden, darlegte, gestaltete Stefan Helmholz in seinen Kapiteln die innere Welt des Häftlings, seiner Ängste, seine Hoffnungen und seinen Kampf, die Hölle von Zwieberge zu überleben.

Als zeitlichen Rahmen hatten die Vorleser bedeutsame Daten gewählt: den 18. Februar 1945, die Ankunft Kliegers in Zwieberge, und den 9. April, die Evakuierung des Lagers. 3000 Häftlinge wurden auf den Evakuierungsmarsch getrieben, nur 500 Gefangene überlebten den Todesmarsch. Durch seine Flucht aus der Häftlingskolonne bei Belleben gelang es Bernard Klieger am 14. April 1945, sein Leben zu retten.

Die Lesung bildete den Schlusspunkt der Eröffnungsveranstaltung. Gleichwohl nutzten die Gäste, die unter anderem aus Ballenstedt, Blankenburg, Ermsleben, Nordhausen, Thale, Wernigerode und selbstverständlich Halberstadt und Langenstein gekommen waren, das Zusammentreffen für individuelle Fachgespräche zum Thema Todesmärsche.

Unter ihnen waren Dieter Heilmann, Geschäftsführer des VdN-BdA Sachsen-Anhalt, Ludwig Hoffmann, 1. Vorsitzender des Geschichts- und Heimatvereins Wernigerode, und Hanka Rosenkranz, Fördervereinsvorsitzende Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge, aus Halberstadt Ursula Kirste in Vertretung von Ortsbürgermeister Jürgen Meenken (beide CDU), der Halberstädter Lokalhistoriker Werner Hartmann, Anette Bartl vom Stadtarchiv sowie der ZORA und der Linken.

Die Ausstellung ist noch bis zum bis 16. Oktober in der Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge zu sehen.