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Urteil Wahnvorstellung mit fatalem Ende

Ein 48 Jahre alter Mann aus Elbingerode muss in die geschlossene Psychiatrie. Er hat seine Mutter umgebracht.

Von Dennis Lotzmann 08.09.2015, 21:39

Wernigerode/Magdeburg l War es eine Tragödie mit Ansage? War die fatale Zuspitzung am Abend des 28. April vorhersehbar und möglicherweise zu verhindern? Fragen, die heute niemand mehr beantworten kann. Die 72 Jahre alte Frau aus Elbingerode, die an jenem Tag mit ihrem 48-jährigen Sohn heftig aneinander gerät, wird den Konflikt nicht überleben. Und jener Sohn ist aus Sicht von Gutachtern psychisch krank und hat unter Wahnvorstellungen gehandelt. Er hat die Tat nun zwar vor der Strafkammer des Magdeburger Landgerichts gestanden. Auch die Umstände wurden in der Verhandlung am Dienstag beleuchtet – ob sich freilich jene fatale Familientragödie hätte verhindern lassen, blieb auch dabei offen.

Laut Oberstaatsanwältin Eva Vogel irrte der Mann an jenem 28. April stundenlang in Wernigerode umher. Zuvor habe er das Klinikum auf eigenen Wunsch verlassen. Dort war er nach gesundheitlichen Problemen behandelt worden.

Was er vorhatte, ist und bleibt unklar. Sicher ist: Als er am Abend noch immer nicht bei seiner Mutter, mit der er in Elbingerode zusammenlebt, eingetroffen war, meldete die ihn bei der Polizei als vermisst. Und damit nicht genug. Die 72-Jährige, die sich nach Volksstimme-Informationen geradezu überfürsorglich um ihren Sohn kümmerte, machte sich zusammen mit einer Bekannten selbst auf die Suche.

Beide nahmen den Weg nach Wernigerode und fuhren langsam durch die Stadt. Und sie hatten tatsächlich Glück und entdeckten den 48-Jährigen wenige Meter vom Zillierbach entfernt in der Nöschenröder Straße.

Der Versuch, ihn zur Rückkehr ins behütete Heim nach Elbingerode zu bewegen, misslang jedoch: „Ich wollte nicht nach Hause. Ich wollte ins betreute Wohnen. Es ist besser, unter Kranken zu sein“, sagte der Mann, der regelmäßig Psychopharmaka nehmen muss, nun vor der Strafkammer.

Oberstaatsanwältin Eva Vogel zufolge gerieten Mutter und Sohn daraufhin in Streit. Er habe sie eine vier Meter tiefe Böschung hinabgestoßen und sei schließlich selbst hinuntergestürzt. Im Zillierbach sei es dann zu einer wilden Rangelei gekommen, in deren Folge der Mann der Rentnerin einen etwa 25 Zentimeter großen Stein gegen den Kopf geschlagen haben soll. „Die Frau stürzte mit schweren Gesichts- und Kopfverletzungen bäuchlings ins Wasser“, so die Anklagevertreterin vor Gericht.

Ein Schlag, der nicht tödlich war: Laut Rechtsmediziner ertrank die 72-Jährige in dem nicht mal kniehohen Wasser, hieß es vor Gericht. Fatalerweise hatte der Sohn wohl die Tragweite seines Handelns nicht ansatzweise erkannt. Er holte keine Hilfe. Und er hatte wohl auch keine Gelegenheit, Retter zu alarmieren, weil er das Mobiltelefon seiner Mutter in den Bach geworfen hatte. Passiert ist all dies zwischen 20 und 22 Uhr an jenem schicksalhaften 28. April.

Der 48-Jährige kletterte völlig durchnässt aus dem Bach und irrte danach weiter durch Wernigerode. So lange, bis er völlig verwirrt von einer Polizeistreife entdeckt wurde. Nach Recherchen der Volksstimme ganz in der Nähe des Tatortes jener Familientragödie. Weil sich der 48-Jährige kaum richtig artikulieren konnte, ahnten die Beamten nicht, was passiert war. So verstrich in jener kühlen Frühlingsnacht die vermutlich allerletzte Chance, die 72-Jährige noch zu retten. Erst am nächsten Morgen wurde die Leiche von einem Spaziergänger, der mit seinem Hund unterwegs war, gefunden.

Der Rest, die gleichsam tragische wie dramatische Verkettung jener schicksalhaften Stunden, war für die Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft binnen kürzester Zeit geklärt: Die Mutter lag tot im Bach, der Sohn saß im Polizeirevier und gestand wenig später die Tat.

Vor dem Landgericht ging es nun um die entscheidende Frage, ob der 48-Jährige für die Tat verantwortlich gemacht werden könne oder ob er aufgrund seiner psychischen Erkrankung schuldunfähig sei.

Letzteres sah die Staatsanwaltschaft, gestützt auf Gutachten, als gegeben. Einem Experten zufolge wurden bei dem Vater einer Tochter vor etwa 15 Jahren eine wahnhafte Psychose und eine Schizophrenie diagnostiziert. Aggressionen hätten sich schon zuvor gegen die überfürsorgliche Mutter gerichtet, hieß es vor Gericht.

Die Strafkammer unter dem Vorsitz von Richter Dirk Sternberg folgte schließlich nach einem Verhandlungstag dieser Argumentation und dem Antrag von Oberstaatsanwältin Eva Vogel und ordnete die dauerhafte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Der Mann sei schuldunfähig und daher für den Totschlag nicht anders zu bestrafen, hieß es in der Urteilsbegründung.

Die Verteidigung hatte gefordert, von einer solchen Unterbringung abzusehen, da von dem Angeklagten keine weiteren Straftaten zu erwarten seien.

Über sich selbst hatte der Mann, der während des Geständnisses mehrfach in Tränen ausgebrochen war, gesagt: „Ich bin schon schwer krank. Ich habe einfach Angst.“

Mit Material von dpa