Kunst Tod des Pierrot

Auf Schloss Wernigerode soll eine Galerie entstehen.

Von Ingmar Mehlhose 14.10.2015, 21:47

Wernigerode l „Dieses Bild ist ein Glücksfall“, sagt Christian Juranek. Der „Tod des Pierrot“ schlummerte über Jahre in der Sammlung eines Privatiers im schweizerischen Zürich. Dem Tipp eines Kollegen verdankt es der Geschäftsführer der Schloß Wernigerode GmbH, dass er dieses Spätwerk des gebürtigen Braunschweigers Leo Freiherr von König (1871-1944) jetzt im eigenen Haus präsentieren darf.

In einer Münchener Galerie hat der Kunsthistoriker das Gemälde erworben. Wesentlich finanziert wurde es durch das Land Sachsen-Anhalt, Lotto Sachsen-Anhalt, Eigenkapital der GmbH sowie eine Privatspende des Wernigeröder Unternehmers Harald Rautenbach. „Es war ein fünfstelliger Betrag“, sagt Juranek auf Volksstimme-Nachfrage zum Kaufpreis. „Deutlich günstiger“ habe er es bekommen. Aber: „Das heißt nicht, das es ein Schnäppchen war.“

Der dahingeschiedene Harlekin soll hier dauerhaft seinen Platz finden. Als Bestandteil einer Studiengalerie zur Kunst des 19. Jahrhunderts. Der 51-Jährige: „In zwei, drei Jahren sind wir soweit, vielleicht auch schon früher.“ Ein Flur im zweiten Rundgang ist dafür vorgesehen. Etwa 20 bis 25 Werke könnten es werden – als zusätzliche Attraktion für die Besucher.

Seit 1998 versteht sich Schloß Wernigerode als erstes Deutsches Zentrum für Kunst- und Kulturgeschichte für die Epoche zwischen 1803 und 1918. Dieser Anspruch wird immer wieder hinterfragt. „Sammlungspolitisch befinden wir uns mit dem ‚Tod des Pierrot‘ theoretisch außerhalb dieses Zeitraums“, erläutert der Experte. Es sei allerdings so, dass das Motiv nicht nur als künstlerische Selbstaussage Leo von Königs zu verstehen ist. Vielmehr symbolisiere der verstorbene Gaukler die Zeit des Deutschen Kaiserreiches, die nun endgültig weichen muss. Die sie verdrängende Gegenwart werde durch verschiedenfarbig und höchst interessant gestaltete Frauen dargestellt.

Leo von König gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der Berliner Secession. Gemeinsam mit Max Liebermann (1847-1935), Lovis Corinth (1858-1925) und Max Slevogt (1868-1932). Der Sohn des späteren preußischen Generals der Kavallerie Götz von König und dessen Gattin Hertha, geborene Freiin von Cramm, besuchte die Königliche Akademie der Künste (1889-1894) und die Académie Julian in Paris (1894-1897). Er schulte sich an den Impressionisten und leitete eine Meisterklasse an der Berliner Kunstgewerbeschule.

Christian Juranek zitiert dazu den Kunsthistoriker Emil Waldmann. Dieser hatte bereits 1917 notiert: „Sucht man aber, mit was für Bildern man die Gemälde Leo von Königs vergleichen könnte, so findet man keine. Er ist immer nur sich selber ähnlich, als eine Natur von eigener Empfindungsstärke und als Künstler von eigenen Gnaden.“

Als solcher erwarb er sich speziell mit Porträts einen Namen. Zu seinen renommiertesten Werken gehören Studien von Käthe Kollwitz (1867-1945), Ernst Barlach (1870-1938), Emil Nolde (1867-1956) und Gerhart Hauptmann (1862-1946).

Der Schlossherr bemüht hierzu Bernd Küster, Direktor der Museumslandschaft Hessen-Kassel. Küster: „Leo von König schuf Bildnisse von Zeitgenossen, die über das eigene Schicksal auch die Tragik der durchlebten Gegenwart zu spiegeln vermögen. Und er schuf, wie in den Variationen zum ‚Tod des Pierrot‘, symbolische Bilder seiner Epoche, die als Psychogramme der künstlerischen Selbstwahrnehmung ebenso lesbar sind, wie sie den Zeitgeist spiegeln oder als bildhafte Verdichtungen politischer oder gesellschaftlicher Zeitumstände interpretiert werden können.“

„Es ist wohl das letzte Motiv von ihm“, sagt Christian Juranek. Entstanden 1943 in seiner fünften Fasssung. Auf Schloss Wernigerode ist es übrigens nicht die erste Begegnung mit dem Freiherren, der im April 1944 in Tutzing am Starnberger See verstarb. Bereits 2002 gab es eine große Sonderausstellung mit seinen Werken. Der Geschäftsführer: „Wir besitzen schon ein Bild von Leo von König.“ Eine „Berliner Stadtlandschaft aus dem Ersten Weltkrieg“. Dabei handele es sich gleichsam um etwas außergewöhnliches, denn es gebe nur wenige solcher Ansichten von dem Künstler.

Gut möglich, dass der Betrachter dieses Werk ebenfalls wiedertreffen wird. Im zweiten Schloss-Rundgang, in zwei, drei Jahren. Oder früher ...