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Rechten-Demo Kein Weg führte ins Stadtzentrum

Weitgehend friedlich blieben Rechten-Aufmarsch und Gegendemonstration in Halberstadt.

Von Theo Weisenburger 02.11.2015, 00:01

Halberstadt l Bereits ab 10 Uhr hatten sich am Sonnabend die Gegendemonstranten auf dem Bahnhofsvorplatz versammelt, um den rechten Marschierern Paroli zu bieten. Zum Protest hatten Bürger-Bündnis und DGB gemeinsam aufgerufen, die Kirchen und weitere Organisationen schlossen sich dem an. Der Bahnhofsvorplatz füllte sich zusehends, am Ende waren es laut Polizeiangaben rund 400 Menschen, den an diesem Reformationstag den aus ganz Deutschland anreisenden Rechten nicht ihre Stadt überlassen wollten.

In ersten Reden stimmten unter anderem Superintendentin Angelika Zädow und Rainer Neugebauer vom Bürger-Bündnis die Halberstädter auf den Tag ein. Zädow forderte einen Perspektivwechsel „vom Wegsehen zum Hinsehen, von der Angst zur Freude“. „Wir stehen für diesen Perspektivwechsel und für Mitmenschlichkeit“, sagte sie.

Rainer Neugebauer sprach über Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und gewaltsame Angriffe auf Geflüchtete. „Und es gibt dafür immer öfter klammheimliche Bewunderung aus der Mitte der Gesellschaft.“ Deshalb stünden die Teilnehmer der Gegenveranstaltungen „nicht nur gegen die „rassistische und neonazistische Partei ,Die Rechte‘, sondern auch gegen den Rechtsextremismus aus der Mitte der Gesellschaft.“

Landes- und Kreisverband der Partei „Die Rechte“, die im März erstmals zur Landtagswahl antritt, hatten seit Monaten bundesweit für die Halberstädter Kundgebung geworben. Und so reisten ihre Parteigänger auch aus der ganzen Republik an, um unter dem Motto „Perspektiven schaffen statt Massenzuwanderung zu akzeptieren“, gegen Flüchtlinge zu demonstrieren, vor allem aber, um Wahlwerbung für die Partei zu betreiben. Diesem Appell waren am Sonnabend allerdings deutlich weniger Anhänger gefolgt, als von der Partei selbst erwartet. Angemeldet zum Marsch durch die Stadt und den Kundgebungen waren 1 000 Personen, gekommen sind laut Polizeiangaben mit 440 weniger als die Hälfte. Selbst „Die Rechte“ spricht auf auf ihrer Internetseite von lediglich 500 Teilnehmern - verbucht den Sonnabend ansonsten aber als Erfolg.

Allerdings hatten sich die Rechten im Vorfeld und vor allem im Laufe des Tages immer mehr von ihren selbstgesteckten Zielen verabschieden müssen. Ihre Forderung, zur Zast zu marschieren, war von den Behörden nicht stattgegeben worden. Und auch die schließlich genehmigte Route in die Innenstadt samt Kundgebung auf dem Fischmarkt erwies sich am Ende als Illusion. Mit zwei Blockaden, eine auf der Schwanebecker Straße vor der Arbeitsagentur, und eine zweite in der Erich-Weinert-Straße, verwehrten die Gegendemonstranten, darunter das Antirassistische Netzwerk aus Magdeburg, den Marschierern den Zugang in die Innenstadt.

Vor allem vor der Arbeitsagentur wurde die Situation kurzfristig brenzlig. Die kurzfristig angekündigte Sitzblockade auf der Straße war von der Polizei geduldet worden, nicht aber auf dem Gehweg. Mit deutlicher Härte räumte die Polizei den Gehweg, unter anderem wurden drei Hunde ohne Maulkorb eingesetzt. Dabei wurden laut Bündnis „Come together“ mehrere Personen verletzt. Die Polizei spricht in ihrer Pressemitteilung lediglich von einer leicht verletzten Polizistin.

Aber auch die Gegendemonstranten waren nicht allzu zimperlich. Im Laufe der Demonstration wurden einige Male Gegenstände in die Reihen der Rechten geworfen, ein unbeteiligter Pressefotograf wurde dabei von einem Stein getroffen. Bereits am Bahnhof waren beide Seiten – allerdings von Gittern und einem massiven Polizeiaufgebot getrennt – verbal aneinander geraten. Vor allem die zahlreichen Kundgebungen der Rechten im Laufe des Tages wurden von lautstarken Pfiffen und Rufen der Gegendemonstranten begleitet.

Polizeisprecher Uwe Becker zog eine positive Bilanz. Seiner Einschätzung nach sei der Tag weitgehend friedlich verlaufen. Seiner Abschlussbilanz zufolge leitete die Polizei mehrere Ermittlungsverfahren gegen Teilnehmer der Rechten-Demo ein, unter anderem wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, wegen Volksverhetzung und wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Zudem seien gegen einzelne Teilnehmer der Sitzblockaden Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet worden.

Positiv war am Ende auch die Bilanz von Rainer Neugebauer. Zwar hätte er sich mehr Teilnehmer an den Gegenaktionen gewünscht. Dass aber dank der Blockaden der Zug der Rechten in die Innenstadt verhindert werden konnte, mache den Tag „sehr erfolgreich für die ganze Stadt“.