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Zast Halberstadt Landrat zieht Mitarbeiter ab

In der Zast ist es zu einer Eskalation gekommen. Der Landrat hat sein Personal abgezogen. Im Innenministerium ist man irritiert.

Von Dennis Lotzmann 14.11.2015, 10:53

Halberstadt l Eines kann man Landrat Martin Skiebe gewiss nicht nachsagen: dass er überstürzt oder gar kopflos handelt. Vielmehr ist der CDU-Politiker dafür bekannt, Entscheidungen durchdacht, ausgewogen und vor allem abgestimmt vorzunehmen. Vor diesem Hintergrund überrascht Skiebes Handeln in dieser Woche um so mehr. Am Donnerstag zog er überraschend das Personal seines Jugendamtes aus der Zentralen Anlaufstelle für Asylsuchende in Halberstadt ab. Tags drauf ging er mit einer Pressemitteilung in die Offensive, um sein Vorgehen zu erklären und Gerüchten vorzubeugen.

Aus Skiebes Sicht war der Abzug der Mitarbeiter unausweichlich, nachdem sich die Situation in der Zast im Bereich Jugendamt zugespitzt hatte. Mitarbeiter des Kreis-Jugendamtes, so Skiebe, hätten sich bei der Betreuung von sogenannten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen einer akuten Gefahr ausgesetzt gesehen.

Was ganz genau passiert ist, bleibt im Nebel, weil auch Landrat Skiebe die Vorgänge nur vom Erzählen kennt und sie keineswegs unnötig dramatisieren will, wie er gegenüber der Volksstimme betont. „Nach den Informationen, die ich hatte, hatte ich keine andere Wahl“, betont er. Aber: „Übergriffe gegenüber Mitarbeitern kann ich nicht bestätigen.“

Hintergrund der Gesamtsituation, die sich wohl schon seit einigen Tagen zugespitzt haben soll, sind die neuen Verteilungsregularien, die seit November für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge gelten. Waren zunächst Hamburg und München zentral für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr zuständig, werden diese Flüchtlinge seither ebenso wie alle übrigen Asylsuchenden nach festen Quoten – dem Königsteiner Schlüssel – auf die einzelnen Bundesländer aufgeteilt.

Vor Ort in der Zast in Halberstadt sorgt diese neue Situation für Schwierigkeiten, macht die am Freitag verbreitete Pressemitteilung der Kreisverwaltung deutlich: Am Donnerstag habe es wegen der vielen minderjährigen Flüchtlinge und fehlender Räumlichkeiten Probleme bei der Erfassung gegeben. „Die Situation eskalierte“, sodass die Sicherheit der Jugendamts-Mitarbeiter „auch aufgrund der mangelhaften räumlichen Situation vor Ort nicht mehr gewährleistet werden konnte“, heißt es.

Das Innenministerium und das Ministerium für Arbeit und Soziales seien umgehend informiert worden. Zudem sei ein Amtshilfe-Ersuchen um Polizeischutz gestellt worden, heißt es aus der Kreisverwaltung. Da die Polizei dazu kurzfristig nicht in der Lage gewesen sei, habe der Landrat gehandelt und seine Mitarbeiter vorsorglich abgezogen, so eine Verwaltungssprecherin.

Ein Sprecher des Innenministeriums bestätigt auf Anfrage, dass es vor Ort eine „aufgeheizte Stimmung“ gegeben habe, die kurzzeitig auch das Einschreiten von Polizeibeamten nötig gemacht habe. Hochgekocht, so die Darstellung des Innenministeriums, sei die Situation offenbar, weil das Jugendamt personell unterbesetzt war und daher Termine geplatzt seien. „Da die Jugendlichen mitunter schon einige Tage warten mussten, kam es zu Unmutsäußerungen“, so Ministeriumssprecher Stefan Brodtrück. Weil die Sprechstunde daraufhin ganz abgebrochen werden sollte, sei die Situation weiter eskaliert. „Unsere Beamten brachten die Situation rasch unter Kontrolle, Türen wurden nicht eingetreten“, so Brodtrück mit Blick auf derartige Gerüchte. „Ich will aber nicht ausschließen, dass sich Mitarbeiter des Jugendamtes in einer Gefahrensituation gesehen haben.“

Dem Vernehmen nach sollen die Mitarbeiter des Jugendamtes ab Montag ihre Arbeit in der Zast wieder aufnehmen – dann aber unter Polizeischutz. Das Ministerium habe laut Kreisverwaltung die Bereitstellung größerer Räumlichkeiten und Polizeischutz zugesagt.

Seitens des Innenministeriums wird indes nur bestätigt, dass Polizei und Sicherheitsdienst verstärkt sensibilisiert würden, um notfalls rasch einzuschreiten. Landrat Skiebe ist um Klarstellung bemüht: „Wir erfüllen hier einen gesetzlichen Auftrag und das machen wir auch. Allerdings müssen dafür die Rahmenbedingungen stimmen.“