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Barrierefreiheit Hürdenfall noch nicht überall

Zum „Welttag für Menschen mit Behinderung“ am 3. Dezember fällt die Bilanz der Betroffenen durchwachsen aus. Sie fordern mehr Mitsprache.

Von Dennis Lotzmann 01.12.2015, 00:01

Halberstadt/Wernigerode l Geht es darum, für die Belange von Menschen mit Handicaps zu streiten, ist Detlef Eckert unermüdlich. Der 64-Jährige ist aufgrund eines Unfalls selbst körperlich betroffen und weiß daher nur zu gut, wie hinderlich Barrieren im Alltag sind. Wird irgendwo gebaut, gehört Eckert zu denen, die ganz genau hinschauen, ob die Belange von Menschen mit Handicaps berücksichtigt werden.

Eines der jüngsten Probleme ist die Landesstraße zwischen Halberstadt und der Gemeinde Huy, die grundhaft saniert wird. Dort, so formulierte Detlef Eckert vor wenigen Tagen bei der Beratung des Bündnisses „Harz inklusiv“ einen Wunsch in Richtung der Bauplaner, möge man doch die Bushaltestellen nach allen Vorgaben barrierefrei gestalten.

Ein Wunsch, der in der für das Projekt zuständigen Landesstraßenbaubehörde (LSBB) indes für einige Irritationen sorgt. „Schließlich ist doch geplant, die Bushaltepunkte entsprechend zu gestalten“, kündigt LSBB-Mitarbeiter Harald Müller an und skizziert die Pläne: Dort, wo bislang oftmals nur ein schlichtes H-Schild am Straßenrand stehe und selbst Menschen ohne Einschränkungen nur mit Mühe in den Bus einsteigen können, sollen Hochborde entstehen, um Rollstuhlnutzern oder Menschen mit Rollatoren das Ein- und Aussteigen zu ermöglich.

„Wir bauen Hochborde, die jeweils vier Meter lang sind, an der Huysburg sogar acht Meter“, erklärt Müller. Der Unterschied spiegele die Nutzungsfrequenz wider – „dabei haben wir die Erfahrungen der Busfahrer als Basis genommen“, so Müller. Und in noch einem Punkt gebe es Abweichungen von der Optimalnorm, räumt er ein. Die auf Fahrzeughöhe gebauten Bussteige seien nicht zwei bis zweieinhalb Meter breit, sondern nur anderthalb bis zwei Meter. „Das ist den Platzverhältnissen geschuldet – sonst müssten wir Grundflächen zukaufen.“

Genau hier sieht Detlef Eckert den Knackpunkt: „Ich sehe natürlich den Willen der Straßenbauer, hier Fortschritte zu erreichen. Aber was nützt der beste Bussteig, wenn er letztlich zu schmal ist und ein Rollstuhlfahrer damit nicht klarkommt. Dann ist die teure Investition schlimmstenfalls sinnlos“, gibt er zu bedenken.

Und Eckert sieht einmal mehr ein Problem bestätigt: „Die Bauleute und Planer suchen nicht immer mit den richtigen Leuten das Gespräch. Statt mit Busfahrern sollten sie mit uns reden“, fordert er und erinnert an einen entscheidenden Punkt: Nicht alles müsse zwingend normgerecht gebaut werden – über mögliche Kompromisse könnten aber nur die Betroffenen entscheiden.

Für Eckert ist die Debatte um die Bussteige an der Landesstraße in Richtung Huy nur ein exemplarisches Thema. Er wünscht sich generell in den Harzer Orten Masterpläne, um die Haupttrassen für Passanten nachzuvollziehen. „An diesen Achsen muss am schnellsten etwas passieren. Sobald an Gehwegen oder Kreuzungen gebaut wird, muss die Barrierefreiheit ganz automatisch Thema sein, damit wir Stück für Stück vorankommen“, lautet Eckerts Forderung.

Die Kritik, die damit verbunden ist, kann die Halberstädter Stadtsprecherin Ute Huch indes nicht nachvollziehen. „Die Barrierefreiheit ist ganz wichtiger Bestandteil bei allen Planungen und Projekten“, stellt sie klar. Und: „Als Kommune sind wir Mitglied in zahlreichen Initiativgruppen und Gremien wie dem Bündnis ,Harz inklusiv‘.“

Halberstadt setze nicht nur auf Theorie, sondern auf die Praxis. Im Moment liefen Bauplanungen für die Schwanebecker Straße – mit allen Regeln zur Barrierefreiheit. Obendrein setze man auf punktuelle Verbesserungen. So in der Herbingstraße. Dort werde eine Treppe, die auf dem Weg Richtung Straßenbahnhaltestelle eine Hürde sei, gegen eine Rampe ausgetauscht oder mittels Rampe ergänzt.

Eckert begrüßt solche Schritte. Und er sieht insgesamt in Sachsen-Anhalt und im Harz gute Entwicklungen. Diese seien aber von Erfahrungen, die er beispielsweise in China gemacht habe, noch Jahre entfernt. „Ich habe dort Städte besucht – die waren flächendeckend barrierefrei und vorbildlich behindertengerecht.“ Oder die Paralympics 1990 im niederländischen Assen: Schon damals hätten alle Geschäfte Lifte und entsprechende Türen gehabt. Eckert kennt den Grund dafür: „Die Niederländer rückten das Thema Barrierefreiheit schon in den 1970er Jahren in den Fokus und waren 1990 recht weit.“

Ganz anders in Wernigerode: „Als dort vor wenigen Jahren die Fußgängerzone saniert wurde, sind die Stufen zu den Geschäften saniert worden, statt Rampen zu bauen“, sagt er. Das sei, bestätigt eine junge Mutter, auch beim Einkauf mit Kinderwagen hinderlich.

Gleichwohl sehen sich die Verantwortlichen auf dem „richtigen“ Weg: „Das Thema ist bei uns präsent und wir sind stets im Gespräch mit den Betroffenen“, betont die Halberstädter Stadtsprecherin Ute Huch. Und LSBB-Mitarbeiter Harald Müller erinnert an die „deutlichen Verbesserungen“, die sich im Huy ergäben. Dort würden rund 30 000 Euro investiert, um bis zum Frühjahr die Hürden zu verkleinern.

Wahrscheinlich aber setzte sich diese Idee beim LSBB recht spät durch: Die Kreisverwaltung berichtete am Montag, dass sie mit ihrem Vorstoß in Sachen Barrierefreiheit dort zunächst auf Ablehnung stieß.