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Hilariusmahl Respekt, Barmherzigkeit, Mühen

Zum 25. Hilariusmahl seit der Wende hatten die Halberstädter eingeladen. Die Festrede hielt Friedrich Schorlemmer.

Von Sabine Scholz 15.01.2016, 00:01

Halberstadt l Stadtratspräsident Dr. Volker Bürger (CDU) begrüßte die Gäste des Hilariusmahls am Mittwochabend im Rathaus. Die erlebten zu Beginn den Auftritt der Sternsinger. Die Kinder baten um Spenden für ein Projekt in Bolivien, das unter dem Motto „Respekt“ steht. „Viel zu oft werden auch hierzulande Menschen respektlos behandelt, weil sie anderer Herkunft sind, andere Hautfarben haben, anders aussehen oder anders sind“, sagte Bürger. Angesichts der Flüchtlingssituation in Deutschland sei die Einforderung eines respektvollen Umgangs miteinander hochaktuell.

Auf dieses Thema ging auch Friedrich Schorlemmer ein, der die Festrede hielt. Er erinnerte daran, dass die Wende nicht einfach so passiert ist, die Demokratie Ostdeutschland nicht geschenkt, sondern errungen wurde. „Wir tun uns keinen guten Dienst, wenn wir im Nachhinein alles beschönigen oder alles einschwärzen.“ Man sollte sich freuen und staunen, was alles schon gelungen ist, auch mithilfe der „westdeutschen Schwester und Brüder“.

In Erinnerung an die Probleme, die in den vergangenen 25 Jahren gemeistert worden sind, sollte man die neuen Herausforderungen sehen. „Die Weltprobleme sind nicht mehr einfach Nachrichten im Fernsehen, sie kommen als Menschen zu uns, suchen Obdach. Hier ist unsere Barmherzigkeit gefragt, unsere Hilfe, auch wenn wir wissen, dass es nicht leicht wird, diese Herausforderung zu meistern.“

Wenn man sich entschuldigen muss dafür, dass man Menschen in Not beisteht, „ist das nicht das Land, in dem ich leben möchte“, sagte Schor­lemmer. Wohl wissend, dass es eine „große, langwierige Aufgabe ist, der wir uns stellen müssen und die auch Probleme mit sich bringt.“

Schorlemmer zitierte Ingeborg Bachmann, ließ ein Lied von Wolf Biermann einspielen, um die Erinnerung zu wecken daran, wie das Leben in der DDR war, wie der Alltag empfunden wurde. Dass trotz des Lebens im Schatten und Windschutz der Mauer Weltliteratur geschaffen wurde, große Kunst entstand. „Die wird länger nachwirken als die Aktenmeter der Stasi.“

Er warb für einen differenzierten Blick auf das Leben in Ost und West. Man solle alles, was gewesen ist, betrachten, ehe man es wegwirft. Aber wenn man es weggeworfen hat, sollte man es auch dort lassen. Wobei Schorlemmer darauf verwies, dass Utopien – wie der Sozialismus eine sei – durchaus eine motivierende Rolle für gesellschaftliche Entwicklungen spiele. Er zitierte Brechts Kinderhymne: „Anmut sparet nicht noch Mühe, Leidschaft nicht noch Verstand“. Wenn man dies tue, könne es gelingen, aus den Erfahrungen des Vergangenen die Aufgaben zu meistern, „die dem europäischen Haus ins Haus stehen.“