1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. Von den Gewändern überwältigt

Domschatz Von den Gewändern überwältigt

Seit September absolviert eine 16-jährige Halberstädterin ein Praktikum in der Domschatzverwaltung. Und erlebt dabei Überraschendes.

Von Sabine Scholz 02.03.2016, 00:01

Halberstadt l „Ich wollte wissen, was dahinter steckt“, sagt Jennifer Streithoff. Die 16-Jährige wohnt seit vier Jahren mit ihren Eltern in der Schuhstraße, vom Balkon aus ging der Blick immer auf den Dom. „Das ist was echt Schönes“, sagt die junge Halberstädterin. Bevor sie ihr Praktikum in der Domschatzverwaltung begann, hatte sie noch nie einen Fuß in die Kirche, geschweige denn in den Schatz gesetzt. „Als junger Mensch interessiert man sich meist nicht für so was Altes“, sagt sie, und es klingt ein bisschen entschuldigend.

Denn die Arbeit, in die sie seit Anfang September einbezogen wird, macht ihr richtig viel Spaß. Strahlend erzählt sie, wie aufgeregt sie am ersten Tag war und wie freundlich die Begrüßung ausfiel. „Es hieß ganz schnell: ,Jennifer komm‘ mal her, das musst Du sehen‘“, berichtet sie. Ein Team aus Mitarbeitern im Informationsservice, im Aufsichtsbereich und natürlich im Büro begleitet die Schülerin bei ihrer Arbeit. Ernstgenommen fühlte sie sich, rasch wuchs Vertrauen zu den Mitarbeitern. „Ich bin froh, die Menschen hier kennengelernt zu haben“, sagt sie und lächelt.

Sie will auch nach ihrem Praktikum, das am 20. Juni endet, den Kontakt zu den Mitarbeitern im Domschatz halten. „Wenn mal wieder eine Ausstellung aufgebaut werden muss, können sie jederzeit auf mich zählen“, betont sie.

Erste Erfahrungen damit durfte sie schon sammeln. Als im November die Sonderausstellung zu den wertvollen mittelalterlichen Handschriften vorbereitet und aufgebaut werden musste, fasste sie mit zu. Überhaupt sei es erstaunlich, wieviel Arbeit hier zu leisten sei. Seit Wochen darf sie den Telefondienst übernehmen, trägt ein, wer wann eine Führung buchen will, sucht die passenden Gästeführer. „Da ist unglaublich viel zu koordinieren.“

Die Büroarbeit macht ihr Freude, das ist nicht zu überhören. An drei Tagen in der Woche arbeitet sie in der Verwaltung mit, an zwei Tagen drückt sie die Schulbank. „Die Schule ist ganz schön schwer“, gibt sie zu. In der Berufsschule Böhnshausen will sie ihr Fachabitur im Bereich Verwaltung absolvieren, im kommenden Jahr ist dann nur Unterricht angesagt. Deshalb hat sie sich auch erstmal eine Pause vom Handballspiel gegönnt, das sie viele Jahre intensiv betrieben hat. Doch der Sport fehlt ihr, sagt Jennifer Streithoff, die ihren Realschulabschluss an der Gröpertorschule erwarb.

So ganz sicher ist sich die begeisterte Sportlerin nicht, wohin ihr beruflicher Werdegang sie führen wird. Parallel zur Schule schaut sie sich nach einer Ausbildungsstelle um. Denn auch Arzthelferin zu sein, könnte sie sich vorstellen. „Die müssen ja auch Büroarbeit erledigen“, sagt sie, „neben der praktischen Hilfe für den Arzt“.

Doch noch ist der moderne Anbau am Dom ihre Arbeitsstätte, die immer wieder Überraschendes zu bieten hat. Überwältigt hat sie bei ihrem ersten Rundgang durch den Domschatz der Raum mit den liturgischen Gewändern. „Als ich den Raum betrat, dachte ich erstmal nur: Wow“, erzählt sie. „Diese Stücke da sind echt alt. Und schwer. Das haben mal Menschen getragen?“ Es sei faszinierend, auf diese Weise zu erfahren, wie die Menschen früher gelebt haben, wie die Domherren zu festlichen Anlässen gekleidet waren.

Mittlerweile hat sie ihre drei Brüder schon in den Domschatz geschleppt, „die ganze Familie“, berichtet sie lachend. Selber Gäste durch den Schatz zu führen, dass kann sie sich allerdings nicht vorstellen. Vor so vielen Menschen frei zu sprechen, falle ihr schwer, gibt sie zu. Der Kontakt per Telefon oder E-Mail hingegen sei leicht zu meistern.