Medien Trends in der Bibliothek

Nur Ausleihen reicht nicht mehr, sagt Halberstadts Bibliotheksleiterin Birgit Sommer. Büchereien sollen kreativ werden.

Von Sandra Reulecke 22.03.2016, 00:01

Halberstadt l Wer liest denn noch Bücher aus der Bibliothek? Heutzutage, in der im Internet faktisch alles verfügbar ist und Online-Lieferdienste Romane und Co. bequem über Nacht nach Hause bringen? Es sind nicht wenige, versichert Birgit Sommer. 220 000 Medien haben die Leiterin der Stadtbibliothek „Heinrich Heine“, ihre neun Mitarbeiter und die drei Auszubildenden im vergangenem Jahr an Halberstädter ausgeliehen.

Ein Selbstläufer sind Büchereien allerdings nicht. „Bibliotheken haben sich geändert und müssen sich ändern“, betont Birgit Sommer. „Die Leute wollen mehr als nur schnell etwas ausleihen.“ Für die Diplom-Bibliothekarin und ihr Team bedeutet das, auch schon mal in die Rolle von Eventmanagern zu schlüpfen. „Aber es müssen Sachen sein, die Kompetenz vermitteln und zu einer Bibliothek passen.“ Für die 51-Jährige sollte sie ein Ort des Austausches und zum Lernen sein.

Die Zeiten, in denen man sich im Gebäude mucksmäuschenstill verhalten musste, sind also vorbei. Beim „Literarischen Kaffeeklatsch“ zum Beispiel ist Plaudern ausdrücklich erwünscht. Veranstaltet wird er alle zwei Monate in der dunklen Jahreszeit. Der nächste Termin ist Donnerstag, 31.  März, ab 16 Uhr.

Einmal im Monat wird zudem ein Kreativnachmittag veranstaltet, den der Förderverein der Bibliothek unterstützt. Anleitung und Hilfe für Nadelspiele wie Stricken gibt es wieder am 7. April um 15 Uhr. Auf den Termin freut sich das Bibliotheks-Team. „Da lernen wir jedes Mal etwas Neues“, berichtet Birgit Sommer. Und: Handarbeiten liegen gerade voll im Trend.

Ohnehin sei es für Bibliotheken wichtig, mit dem Trend zu gehen, wenn die Leser gehalten werden sollen – insbesondere bei der Auswahl der Literatur. „Das Leseverhalten ändert sich ständig“, berichtet Birgit Sommer. So war in den 1990er-Jahren das Interesse an Schicksalsromanen hoch. Bis vor fünf, sechs Jahren war dagegen Sachliteratur gefragt. Und nach „Harry Potter“ und „Twilight“ erlebte das Fantasy-Genre einen Aufschwung. „Heute sind es vor allem Regionalkrimis, Historiendramen und Literatur über moderne Frauen“, berichtet Birgit Sommer. Sie selbst liest privat am liebsten Krimis, berufsbedingt schmökert sie auch in anderer Literatur. „Vor zwei Jahren habe ich Hörbücher für mich entdeckt und höre mir auch Literatur an, die ich vermutlich nicht lesen würde“, verrät die gebürtige Ströbeckerin.

Sie favorisiert dennoch weiterhin das klassische gedruckte Buch. „E-Books sind praktisch. Aber ein richtiges Buch fühlt sich ganz anders an“, sagt sie. Den meisten Nutzern der „Heinrich Heine“-Bibliothek ergeht es offensichtlich ähnlich: Von 4600 registrierten Nutzern im Jahr 2015 haben sich 350 für elektronische Medien entschieden. „Die meisten nutzen beides – als Ergänzung zueinander“, ergänzt die Bibliotheksleiterin. Eine hausgemachte Konkurrenz sei die Onleihe definitiv nicht.

Als sie und ihr Team vor rund drei Jahren begonnen haben, die elektronischen Medien zur Ausleihe anzubieten, hätte sie damit gerechnet, vor allem Jugendliche anzusprechen. „Damit lagen wir falsch. Es hat sich heraus kristallisiert, dass vor allem die mittlere Altersklasse E-Medien nutzt.“

Jugendliche wählen in der Halberstädter Stadtbibliothek dagegen mehr gedruckte Werke. Einige von ihnen haben einen Club gegründet – Zwischen den Seiten (ZDS). „Sie treffen sich einmal im Monat in der Bibliothek und besprechen Bücher“, berichtet Birgit Sommer.

Jüngeres Publikum – Kinder ab fünf Jahren – ist am morgigen Mittwoch zu „Leseratte“ willkommen. Ab 16 Uhr wird ihnen aus Kinderbüchern vorgelesen. Zur „Lesezwerge“-Veranstaltung am 13. April sind Kleinstkinder bis fünf Jahren eingeladen.

Die beiden Lese-Reihen für Mädchen und Jungen sowie die Zusammenarbeit mit Schulen und Kindertagesstätten im Stadtgebiet zeigen Erfolge. „Kinderliteratur wird erfreulich oft nachgefragt“, sagt Birgit Sommer. Sie ergänzt stolz: „Es ist schön, wenn sich unsere Arbeit so auszahlt.“