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Kampfsport Der Kämpfer, der Wert auf Respekt legt

Der Halberstädter Toni Thes ist Weltmeister im Kickboxen. Stolz ist er auch auf seine Arbeit mit Kindern.

Von Sabine Scholz 30.10.2016, 01:01

Halberstadt l „Er macht viel mit den Kindern, deshalb unterstütze ich ihn“. Thomas Schwarz kümmert sich eigentlich um Versicherungen, doch in diesem Moment steht der Halberstädter in einer Kampfsportschule und derjenige, über den er spricht, steht am Tresen. Toni Thes strahlt übers ganze Gesicht. Seit Jahren aktiv als Boxer, hat er sich im Kickboxen den Europameistertitel geholt und nun ziert ein Weltmeistergürtel sein Sportstudio. Der Stolz auf diesen Titel ist Thes anzusehen, denn er ist hart erkämpft.

„Als ich die ersten Kickboxkämpfe hatte, ist mir schwarz vor Augen geworden. Die Kicks gegen die Beine sind echt hart. Aber Thaiboxen ist nochmal eine Nummer härter.“ Und in dieser „Königsklasse“ hat er nun einen Weltmeistertitel.

Kampfsport ist eine Welt für sich und Toni Thes erklärt die Unterschiede. Geduldig ist er, macht es aber kurz: Beim Kickboxen darf im Unterschied zum Boxen mit dem Fuß getreten werden, Haltegriffe sind nur kurz erlaubt. Im Thaiboxen dürfen hingegen Ellenbogen und Knie mit eingesetzt werden und das Festhalten, das Clinchen, ist nicht limitiert. „Das kann die Kämpfe für Zuschauer aber auch unattraktiv machen“, sagt der 30-Jährige, der ohne Sport nicht leben kann.

Als er sich vor sieben Jahren entschied, sein Hobby zum Beruf zu machen, hätten ihm viele abgeraten, sagt er. Auch seine Mutter. Inzwischen hat er sich einen Namen gemacht, nicht nur im Ring. Anfangs sei er oft nicht ernst genommen worden, mittlerweile hat er sich erarbeitet, was ihm wichtig ist: Respekt. Nicht umsonst hat er sein seit fünf Jahren in der Halberstädter Altstadt ansässiges Sportstudio so genannt, wenn auch in der englischen Version. „Ohne Respekt kommt man im Leben nicht weit“, sagt Thes. Und nur wer selbst respektvoll mit anderen umgehe, könne sich den Respekt seiner Mitmenschen verdienen.

Es sind solche Ansichten, für die er neben seiner sportlichen Leistung Anerkennung erfährt. In seiner Kampfsportschule bringt er 150 Menschen Balance, Körpergefühl, Koordination, Ausdauer und Kraft bei und wie man die beim Boxen oder Kickboxen einsetzt. 100 seiner Schüler sind Kinder und Jugendliche. Auch Polizisten gehören zu seinem Besucherstamm, Lehrer. „Oft hat Kampfsport ja ein Schmuddel-Image“, sagt Thomas Schwarz, „aber Toni lebt etwas anderes vor.“

Toni Thes ist ein Kämpfer, er liebt es, seine Kräfte zu messen, liebt den Nervenkitzel des Kämpfens, daraus macht er keinen Hehl. Aber er hat etwas gegen Machtspielchen und Angebergehabe. Er hat tiefen Einblick in das Geschäft, das mit dem Sport verbunden ist und die Grauzonen drumherum. Und in die Risiken, die es in sich birgt, wenn man sein Geld mit Boxen und ähnlichem verdienen will.

Trotzdem will er gut darin sein. Deshalb hat er trotz der Anforderungen, die sein Leben als Geschäftsinhaber und Trainer im Alltag stellt, hart trainiert. Manchmal über die Belastungsrenzen hinaus. Aber es hat sich gelohnt, er hat im September zwei Runden gebraucht, dann hatte er ihn, den Weltmeistertitel der WBU im Thaiboxen. Wobei WBU für World Boxing Union steht, nach Thes‘ Auskunft der viertgrößte Boxzusammenschluss der Welt.

Manche Eigenschaften aus der Kampfsportwelt kann er auch außerhalb des Rings gut nutzen, anderes war ihm auf dem Weg in die berufliche Selbstständigkeit völlig neu. Der ganze Buchhaltungskram ist ihm suspekt, muss aber gemacht werden.

Zum Glück weiß Thes, wo er Unterstützung findet in solchen Dingen. Anderes macht er auf jeden Fall lieber selbst. Zum Beispiel das Arbeiten mit den Kindern. Das macht ihm Spaß, er hat extra noch Ausbildungen für verschiedene Trainerlizenzen absolviert. „Kinder kann man super motivieren, die wollen noch richtig was machen. Und für die Entwicklung des Gehirns ist gerade bei kleinen Kindern wichtig, dass sie auch körperlich aktiv sind, lernen, Balance zu halten und solche Dinge“, sagt der Kampfsportler.

In Kindertagesstätten und Grundschulen ist er unterwegs, bietet kindgerechte Kurse in Selbstbehauptung an. Und in Selbstverteidigung, das gehört dazu. Auch in Gymnasien und Sekundarschulen war er. „Das alles erfordert viel Zeit.“Lachend erzählt er, dass er anfangs etwas blauäugig war. „Als ich mein Sportstudio vor sieben Jahren in Staßfurt aufmachte, dachte ich, super, da kannst du jeden Tag selbst trainieren. Aber dazu komme ich kaum, deshalb war die Vorbereitung auf den WM-Kampf eine echte Herausforderung“, sagt er.

Um so glücklicher ist er, dass der Gürtel in seinem Laden hängt und nicht bei seinem Gegner Ivan Sakic. Der hatte in seiner Karriere bislang von 45 Kämpfen 32 gewonnen, 15 davon durch K.O. „Der war echt ‘ne harte Nummer. Er will Revanche, die werde ich ihm wohl geben“, sagt Thes. Aber erstmal muss er wieder in seiner Alltagswelt aktiv werden.

Der in Halberstadt geborene Boxfan ist in Halberstadt und Magdeburg aufgewachsen, hat seine Schulzeit in beiden Städten verbracht und früh mit dem Boxen angefangen. In Magdeburg absolvierte er seine Lehre zum Zerspanungsmechaniker, merkte aber rasch, dass der Arbeitsalltag ihm kaum Kraft und Lust lässt, um im Kampfsport weiterzumachen. Was er aber unbedingt wollte. Deshalb wagte er den Sprung in die Selbständigkeit.

Deshalb versteht er aber auch, dass die meisten seiner Aktiven den Kampfsport eher als Ausgleich zum Alltag betreiben. „Unter den 150 sind vielleicht vier echte Kämpfer, die auch in den Ring, die ihre Kräfte messen wollen. Die anderen sehen es eher als hervorragende Möglichkeit des Ganzkörpertrainings, nicht umsonst trainieren hier auch 20 Frauen“, sagt Tino Thes.