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Benefizspiel Tragödie mit Nachgeschmack

Beim Benefiz-Fußballspiel für Hinterbliebene eines tödlich verunglückten Autofahrers kamen in Eilenstedt knapp 800 Euro zusammen.

Von Dennis Lotzmann 09.11.2016, 09:00

Eilenstedt l Es ist ein Unfall, der tragischer kaum sein konnte: Als Doreen Schmager am 8. Oktober gegen 17.50 Uhr vom Einkauf in Schwanebeck in Richtung des heimatlichen Eilenstedt unterwegs ist, kommt es auf der schnurgeraden Strecke zwischen dem Abzweig zur B 245 und Haus-Nienburg zur folgenschweren Kollision. „Etwa auf Höhe einer kleinen Kuppe sah ich plötzlich auf meiner Fahrspur ein Auto direkt auf mich zukommen. Ich dachte, jetzt ist es aus“, berichtet die 41-Jährige.

Doreen Schmager tritt voll auf die Bremse, dann knallt es bereits. Augenblicke später kommt die alleinerziehende Mutter von vier Kindern wieder zu sich. Sie versucht, sich zu orientieren, der erste Gedanke gilt ihrem sechs Jahre alten Sohn, der mit im Seat Alhambra sitzt. „Erst nach drei Versuchen hat Robert reagiert, da ist mir ein riesiger Stein vom Herzen gefallen.“ Sie kämpft sich aus dem Wrack und geht zum anderen Auto. Doreen Schmager erkennt den Wagen, weiß sofort, wer darin sitzt – es ist ein 46-Jähriger, der ebenfalls in Eilenstedt lebt. „Er war nicht angeschnallt, hing über dem Lenkrad, ich habe seine Tür nicht aufbekommen“, erinnert sich die 41-Jährige.

Den Rest übernehmen Helfer und wenig später Polizei und Rettungsdienst. Dem 46-Jährigen können sie jedoch nicht mehr helfen. Er erliegt auf der Fahrt in die Klinik seinen Verletzungen. Doreen Schmager und ihr Sohn kommen ins Krankenhaus. Sie haben jedoch Glück im Unglück. Die Verletzungen erlauben es, dass die beiden schon einen Tag später auf eigene Verantwortung die Klinik verlassen können. „Ich musste mich doch um meine Kinder kümmern.“

In Eilenstedt ist der schreckliche Unfall sofort Gesprächsthema. Auch beim Sportverein SG Grün-Weiß, wo der 46-Jährige gespielt hat. Erschütterung macht sich breit. Aber auch die Absicht, zu helfen. Vor allem junge Spieler bringen ein Benefizspiel zugunsten des tödlich verletzten Vereinsmitglieds ins Gespräch. Trainer und Vorstand stimmen zu, am 31. Oktober laufen die Eilenstedter und Schlanstedter Kicker für den guten Zweck auf. Das Ergebnis ist nachrangig – der finanzielle Erlös zählt: Knapp 800 Euro, berichtet Trainer Ives Schidlo, seien zugunsten der Hinterbliebenen zusammengekommen.

Die spontane karitative Aktion stößt allgemein auf Beachtung. Allein die Frage, warum nicht die Opfer auf beiden Seiten – sowohl Hinterbliebene als auch die verletzten Überlebenden – gleichermaßen finanziell Beachtung finden, sorgt immer wieder für Kopfschütteln.

Eine gewisse Anteilnahme hätte sich auch Doreen Schmager gewünscht: „Nicht einer vom Fußballverein hat gefragt, wie es uns geht“, berichtet die 41-Jährige auf Anfrage der Volksstimme. Sie und ihr Sohn hätten zwar verletzt überlebt. „Ich habe aber weiterhin starke Schmerzen und weiß überhaupt noch nicht, ob und wann ich wieder arbeiten gehen kann“, so die Melkerin.

Aspekte, die Burkhard Ohlhoff vom Eilenstedter SG Grün-Weiß zur Kenntnis nimmt. Allein: „Wir sind froh, dass es für die Frau und ihren Sohn recht glimpflich ausgegangen ist. Sie waren nach einem Tag wieder raus aus der Klinik. Ihr Auto ist zwar Schrott, das wird aber von der Versicherung reguliert.“ Und: „Wenn auch ihnen etwas Extremeres passiert wäre, hätten wir als Vorstand sicher anders entschieden.“ Letztlich, so Ohlhoff und Trainer Schidlo unisono, sei es beim Benefizspiel um einen Sportkameraden und dessen Mutter gegangen.

An der löblichen Absicht zweifelt auch Doreen Schmager nicht. „Ich stehe – abgesehen von Schmerzen und Leid – aber auch vor finanziellen Problemen: Mein Auto ist Schrott. Vom Restwert-Erlös, den mir die Versicherung zahlt, kann ich mir aber kein neues kaufen.“ Und ein Alhambra solle es schon wieder werden. „Der hat uns schließlich das Leben gerettet.“

Doreen Schmager sieht sich jedoch nicht nur mit dieser Thematik konfrontiert. In Eilenstedt, berichtet sie, werde sogar das Gerücht gestreut, sie trage am Unfall mindestens eine Mitschuld.

Eine Behauptung, der Hauke Roggenbuck, Chef der Staatsanwaltschaft in Halberstadt, entschieden widerspricht: „Die Sache ist nach unseren Ermittlungen eindeutig: Der Verursacher ist der Frau auf ihrer Spur entgegengekommen. Es spricht absolut nichts dafür, dass die Frau irgendwie eine Schuld an dem Unfall hatte“, betont der Oberstaatsanwalt.

Zu weiteren Details will sich Roggenbuck nicht äußern. „Die Sache ist tragisch, die Schuldfrage klar: Der tödlich verunglückte Mann hat den Unfall verursacht. Wir ermitteln aber nicht gegen Tote und haben das Verfahren eingestellt.“ Daher werde die Kernfrage, warum der Mann auf die Gegenfahrbahn geriet – ob er abgelenkt wurde, zu schnell fuhr, einem Tier auswich oder ob beispielsweise Alkohol eine Rolle gespielt hat – nicht weiter untersucht. Diese Frage müsse unbeantwortet bleiben.