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Amtsgericht Verurteilter Notarzt zieht alle Register

Ein wegen Kindesmissbrauch vom Amtsgericht Wernigerode verurteilter Arzt geht in Berufung.

Von Dennis Lotzmann 16.11.2016, 11:00

Wernigerode l Für Stefan R. geht es – beruflich gesehen – ganz offensichtlich um alles. Wird er wegen sexuellen Kindesmissbrauchs in zwei Fällen zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt, drohen ihm der Entzug der ärztlichen Approbation oder zumindest empfindliche Einschränkungen bei der weiteren Berufsausübung. Das signalisierte eine Sprecherin der bayerischen Landesärztekammer – ohne auf den konkreten Fall einzugehen – auf Anfrage der Volksstimme. Denkbar seien vielfältige Sanktionen bis hin zum Entzug der Zulassung, sagte Dagmar Nedbal.

Deshalb verwundert es nicht, dass Stefan R. nun alle Register zieht, um seinen Kopf noch aus der Schlinge zu ziehen. Vor einer Woche hatte der 49-Jährige im Verfahren vor dem Amtsgericht Wernigerode alle ihm gemachten Vorwürfe eingeräumt: Ja, er habe sich über ein Videotelefonat zugeschaltet, während ein Kind missbraucht wurde und sich an den Bildern ergötzt. Anschließend sei er zweimal nach Wernigerode gereist, um ein damals 13 Jahre altes Mädchen in einer Wohnung zu missbrauchen.

Das Kalkül des Mannes – ein volles Geständnis für eine Bewährungsstrafe im Gegenzug – ging jedoch nicht auf. Zwar ersparte der Angeklagte dem betroffenen Kind mit seinem Geständnis zumindest eine Aussage vor Gericht und dürfte damit einen strafmildernden Fakt für sich verbucht haben. Trotzdem forderte der Staatsanwalt für die beiden Missbrauchsfälle und die Kinderpornografie insgesamt drei Jahre und drei Monate Haft. Und diesem Antrag folgte der Richter in vollem Umfang.

Dieses Urteil will R. nun anfechten. Der Mann habe – wie von Beobachtern erwartet – gegen das Urteil des Amtsgerichts Wernigerode Rechtsmittel eingelegt und sei in Berufung gegangen, so der Magdeburger Landgerichtssprecher Christian Löffler. Damit bekommen nun die Richter am Landgericht den Fall auf den Tisch.

Laut Strafgesetzbuch ist die Hoffnung, die Stefan R. zunächst mit seinem Geständnis verband und nun mit dem Gang in die nächste Instanz weiter verfolgt, nicht abwegig. Demnach werden sexuelle Handlungen an oder mit Personen unter vierzehn Jahren (Kindern) mit Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Nur Freiheitsstrafen bis maximal zwei Jahre können zur Bewährung ausgesetzt werden.

Der Fall Stefan R. fügt sich in einen juristischen Gesamtkomplex rund um einen vom Harz ausgehenden Kinderporno-Ring ein. Eine zwischenzeitlich rechtskräftig zu vier Jahren und neun Monaten Haft verurteilte Frau aus Quedlinburg hatte dabei ihre eigene Tochter sowie ihre jüngere Schwester für Sex verkauft. Gegen zwei Männer, die die Kontakte zu den Freiern hergestellt haben sollen, laufen aktuell noch Gerichtsverfahren.

Im Zuge der Ermittlungen gegen die Quedlinburgerin und die beiden Männer waren Polizei und Staatsanwaltschaft auch auf den heute 49-jährigen geständigen Mediziner gestoßen.

Welche berufliche Perspektive er im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung hat, ist im Detail unklar. Er soll nach Recherchen der Volksstimme aktuell wohl noch im Dienst sein, der Fall soll aber bereits in den Fokus der bayerischen Ärztekammer gerückt sein.

Bei der Ärztekammer im Freistaat hielt man sich am Dienstag mit einer Bewertung zurück. In aller Regel informierten Staatsanwaltschaften über rechtskräftige strafrechtliche Verurteilungen von Ärzten, so Sprecherin Dagmar Nedbal. Anschließend seien – je nach Einzelfall – der Entzug der Approbation ebenso möglich wie das Ruhen oder die freiwillige Rückgabe. Nach Verbüßen von Strafen sei – je nach Delikt – auch eine Wiedererteilung möglich. Dabei könnten auch Einschränkungen wie Behandlungen im Beisein Dritter oder das Verbot einer eigenen Praxisführung ausgesprochen werden.

Im konkreten Fall liege die Entscheidung bei der für Approbationen zuständigen Stelle der Regierung Oberbayern. Dort war am Dienstag nichts mehr in Erfahrung zu bringen.