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Ameos-Klinikum Betriebsrat und Chefetage über Kreuz

Differenzen im Halberstädter Ameos-Klinikum: Der Betriebsrat kritisiert den rigiden Sparkurs. Die Klinikleitung verweist auf Sparzwänge.

Von Dennis Lotzmann 28.10.2015, 13:00

Halberstadt l Der Betriebsrat des Halberstädter Ameos-Klinikums schlägt Alarm: In einem Schreiben an die Chefetage der Klinik-Gruppe in Zürich kritisiert Betriebsrats- chefin Kornelia Fellner den strikten Sparkurs und fragwürdige Personalentscheidungen. Sie spricht von „gravierenden Qualitätseinbußen“ und „Einnahmeverlusten“, sollte der Rotstift-Kurs fortgesetzt werden. Die verbliebenen Mitarbeiter seien „überlastet“ und „demotiviert“. Die Konsequenz sei längst erkennbar: „Langjährige Mitarbeiter kündigen, Chefärzte verlassen zusammen mit Oberärzten die Klinik, freie Arztstellen können nicht besetzt werden.“ Es sei eine dringende Kurskorrektur beim Personal nötig, um nicht weiter an Image zu verlieren, so Fellners Appell Richtung Zürich.

Die Klinikleitung sieht sich zu Unrecht in der Kritik und verweist auf das novellierte Krankenhaus-Struktur-Gesetz, mit dem Kostendruck und Sparzwang erhöht würden. „Die Rahmenbedingungen werden damit nicht besser. Deshalb müssen wir unsere Strukturen optimieren, um die Leistungen so wirtschaftlich wie möglich anbieten können“, sagt der Ameos-Generalbevollmächtigte Patrick Hilbrenner.

Ein Schritt hin zu mehr Effizienz ist nach Hilbrenners Worten die Verlagerung von Leistungen in ausgegründete Service-Gesellschaften. Das Prinzip: Ehemals an allen Klinikstandorten angesiedelte Bereiche werden zentralisiert, um Synergien besser zu nutzen, erklärt er.

Im Personalbereich sei das schon passiert, die Mitarbeiter seien nun am Standort Aschersleben ansässig. Hilbrenner nennt den Vorteil für Haus und Mitarbeiter: Da der Bereich besser personell besetzt sei, gebe es längere Servicezeiten von denen Mitarbeiter im Schichtdienst profitierten. „Und wir haben erstmals ein Team Personalentwicklung gebildet“, ergänzt Klinikdirektor Andreas Schultz. Dass das für einige Mitarbeiter längere Fahrzeiten bedeute, sei unvermeidbar.

Eine Entwicklung, die Betriebsratschefin Kornelia Fellner mit Skepsis verfolgt. Liest man ihre Schreiben, im Februar hatte sie schon einmal Alarm geschlagen, drängt sich ein Verdacht auf: Bei Ameos regiert eine Personalpolitik, bei der in den Bereichen Pflege, Service und Patientenlogistik der Rotstift dominiert.

Der Betriebsrat fühlt sich dabei nicht nur übergangen und vor vollendete Tatsachen gestellt, sondern vermisst den Sinn: „In der Patientenlogistik wurden Stellen gestrichen, was zur Folge hat, dass dort keine Nachtschichten mehr möglich sind.“ Das, moniert Fellner, könne doch nicht das Ziel sein.

Dem widersprechen Hilbrenner und Schultz. Die Arbeitsfähigkeit des Klinikums und die Patientenversorgung seien in keiner Weise in Frage gestellt. Im Gegenteil: „Wir verfolgen ein Ziel – wir wollen die Ameos-Gruppe zukunftsweisend aufstellen“, betont Patrick Hilbrenner.

Konkrete Fälle, die Betriebsrätin Fellner nennt, sorgen jedoch für Verwunderung. Beispiel 1: Ein Mitarbeiter mit befristetem Arbeitsvertrag befindet sich gerade in einer Fortbildung zum Rettungssanitäter. Das Ziel: Er soll als Fachkraft Krankenschwestern beim Patiententransport entlasten. „Während der Mitarbeiter noch auf Kosten von Ameos die Schulbank drückt, wird ihm gekündigt. Da fehlt doch jede Logik“, kritisiert Fellner.

Oder – Beispiel 2 – eine junge Physiotherapeutin, die einzige mit der Ausbildung für die Bobath-Therapie im Haus. Ihr sei während der Probezeit gekündigt worden – „die Kollegen waren geschockt, als sie davon erfuhren“, berichtet Fellner und spricht von einer sehr engagierten, guten Mitarbeiterin.

Das stimme nicht, kontern die beiden Chefs: „Diese Frau hat von sich aus gekündigt. Wir bedauern das sehr“, sagt Patrick Hilbrenner, angesprochen auf jene „einzige“ Bobath-Therapeutin im Halberstädter Klinikum.

Die der Volksstimme namentlich bekannte Frau fällt aus allen Wolken, als sie daraufhin angesprochen wird: „Mir ist ohne jede Ankündigung in der Probezeit gekündigt worden.“ Der Volksstimme liegt das von Ameos-Regionalgeschäftsführer Kai Swoboda unterzeichnete Kündigungsschreiben vor.

Betriebsrätin Fellner zieht frustriert ein Fazit: „Wir haben eine tolle Fachkraft und für das Klinikum ein Alleinstellungsmerkmal verloren. Wir mussten etliche Termine absagen, über den Imageschaden bei Patienten will ich gar nicht reden.“

Von „Chaos“ spricht die Betriebsrätin bei der Zentralisierung der Schreibkräfte. Hier habe es in der Probezeit ebenfalls mehrere Kündigungen zum Jahresende gegeben. Ab 1. November seien die Betroffenen bezahlt freigestellt.

Die beiden Chefs räumen hier Fehler ein. Es gebe zu viele Mitarbeiter und nicht genügend Arbeit – daher die Freistellungen. „Man kann darin auch ein Entgegenkommen und die Unterstützung bei der Suche nach einer neuen Arbeit sehen“, wirft Schultz ein.

Ähnlich fragwürdig sei die Ausgründung im Bereich Technik erfolgt, kritisiert die Betriebsrätin. Die Beschäftigten seien angehalten worden, neue Verträge zu unterzeichnen. Fünf langjährige Mitarbeiter, die sich geweigert hätten, stünden nun vor der Kündigung, darunter ein Betriebsrat.

Auch das stimme so nicht, entgegnen Hilbrenner und Schultz: Die Technik-Ausgliederung sei ebenfalls erfolgt, um standortübergreifend agieren und die Mitarbeiter effektiver einsetzen zu können. „Die Konditionen der neuen Verträge sind mit den alten identisch“, versichert Patrick Hilbrenner.

Das stimme nur auf den ersten Blick, entgegnet ein Betroffener. Zwar gebe es bei Gehalt, Urlaub oder Dienstjahren keine Änderungen. „Absicherungen wie eine Rückfallklausel bei Insolvenz der neuen Firma waren nicht durchsetzbar.“ Zudem gebe es Verschlechterungen bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und eine Schweigepflicht-Entbindung für Ärzte im Krankheitsfall. Die Perspektive für jene fünf Mitarbeiter macht Hilbrenner deutlich: Kündigung.

Während der Generalbevollmächtigte im Gespräch immer wieder betont, dass es allein darum gehe, die Ameos-Kliniken trotz schlechterer Rahmenbedingungen „auf lange Dauer zukunftsweisend aufzustellen“, bleibt die Betriebsrätin skeptisch. Sie spricht von „gereizter“ und „angespannter Stimmung“. „Die Mitarbeiter fühlen sich ausgeliefert und erpresst, in Gutsherrenart ausgebeutet, und Gesetze scheinen das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben“, heißt es in ihrem Hilferuf Richtung Zürich.

Die Fluktuation in Halberstadt sei nicht höher als im Durchschnitt, betonen Hilbrenner und Schultz. Gleichwohl verlassen immer wieder Spitzenkräfte das Haus – in absehbarer Zeit die Chefärzte der Kliniken für Urologie und Frauenheilkunde, kündigen Hilbrenner und Schultz an. „Wir sind dabei, die beiden Stellen zeitnah neu zu besetzen.“

„Damit sehe ich meine Befürchtungen einmal mehr bestätigt“, sagt Kornelia Fellner.