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Archäologische Funde Neubauten über historischem Dorf

In Halberstadt entsteht ein neues Wohngebiet. Die Neubauten entstehen auf einer Fläche, die schon vor Jahrhunderten besiedelt war.

Von Sabine Scholz 08.07.2016, 09:00

Halberstadt l Dunkle Flecken im hellen Erdreich. Was der Laie für eine Laune der Natur halten könnte, sind für Archäologen wahre Fundgruben. So auch im künftigen Wohngebiet Klusblick. Auf der großen Fläche hinter den alten Mehrgeschossern an der Hans-Neupert-Straße ist schon erkennbar, wo die Straßen entlangführen werden, über die die Eigenheime und Zweifamilienhäuser später zu erreichen sein werden.

Thomas Jelinek steht am Rand der freigeschobenen Flächen. „Hier wird das Regenrückhaltebecken, ein kleines Feuchtbiotop entstehen“, sagt der Grundstückseigentümer. Sein Blick schweift über die Baugrube, aus der gerade die Archäologen abgerückt sind. Die gemauerten Fundamentreste von drei Schächten sind zu sehen, zerbrochene Kanalrohre. Und mehrere schmale, längliche Gruben. In Ost-West-Ausrichtung und eine in Nord-Süd-Ausrichtung. Das Grabungsteam hat Bestattungen entdeckt, einen alten Friedhof. Die gemauerten Schächte waren für sie weniger interessant, sie stammen wohl von dem alten Sport- oder Exerzierplatz, der sich hier mal befunden haben soll, als auch noch Kasernen auf dem Areal standen, sagt Jelinek.

„Bevor die Archäologen loslegen konnten, haben wir tonnenweise Müll weggeräumt“, berichtet Thomas Jelinek. Er hatte die Fläche nach der Wende erworben. „Eine gute Lage“, sagt er. Nun sollen Wohnhäuser entstehen. Vorher werden die Erschließungsarbeiten erfolgen. Und wenn die Fundamente der Häuser gesetzt werden, wird wieder ein Archäologe neben dem Bagger stehen.

Denn das Gebiet ist schon vor langer Zeit besiedelt gewesen, es sind weitere Funde zu erwarten. „Wir hatten bereits bei der Erarbeitung des Bebauungsplanes darauf hingewiesen, dass mit Funden zu rechnen ist“, sagt Olaf Kürbis. Der Archäologe ist als Gebietsreferent des Landesamtes für Denkmalschutz und Archäologie für die Landkreise Harz und Mansfeld-Südharz zuständig. Ein Gebiet, das seit Jahrtausenden von Menschen bewohnt wird. Mithin ein Eldorado für die Wissenschaftler.

In den Archivunterlagen des Amtes fand sich ein Hinweis, dass man auf dem Areal im Süden Halberstadts fündig werden wird, es gab den Beleg für eine undatierte Grablege.

„Die historischen Forschungen gehen davon aus, dass hier wohl einst das Dorf Klein Harsleben stand“, sagt Kürbis. „Aber es gab keine genauere Eingrenzung. Wir wussten also, dass wir etwas finden werden, aber nicht, was.“

Eine Vereinbarung mit dem Grundstückseigner wurde geschlossen, er muss die Kosten der Grabung tragen, so wie es im Landesgesetz geregelt ist. „Da jubelt man nicht gerade, wenn die Grabungsteams fündig werden“, gibt Jelinek zu. „Aber es ist schon ein besonderes Gefühl zu wissen, dass man über historisches Gelände geht.“

Die Bagger haben im Frühjahr vorsichtig die obersten Bodenschichten abgetragen, dann traten die dunklen Flecken zutage. „Wir haben alle Funde dokumentiert“, erklärt Kürbis, „sie stehen für spätere Auswertungen zur Verfügung.“

Entdeckt hat das Grabungsteam um Ines Vahlhaus Siedlungsspuren aus zwei unterschiedlichen Zeiten. „Wir haben noch nicht mit der Aufarbeitung begonnen, aber die älteren Funde scheinen aus der späten Bronze- oder frühen Eisenzeit zu stammen“, sagt Olaf Kürbis. Das entdeckte Gräberfeld hingegen weist ins hohe bis späte Mittelalter. „Mit den entdeckten Resten von Grubenhäusern an der einen Erschließungsstraße ist die Ortslage Klein Harsleben genauer zu lokalisieren. Und offenkundig erstreckt sich der Friedhof weiter in Richtung Osten. Da dort nicht gebaut wird, werden wir das erstmal nicht weiter verfolgen können“, erklärt der Fachmann. Aber sicher würden sich am Friedhof auch Reste einer Kirche oder Kapelle finden, denn Bestattungen wurden erst im 18. Jahrhundert von den Kirchen weg an die Ortsränder verlegt. Auf dem Gräberfeld entdeckten die Archäologen neben den christlichen Bestattungen auch eine aus dem späten 7. oder frühen 8. Jahrhundert.

Interessant sei auch, dass man die von den Historikern geäußerte Darstellung, dass das Dorf Klein Harsleben im 14. Jahrhundert eine Wüstung wurde, nicht belegen kann. „Wir haben deutlich jüngere Funde, Keramik aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Das heißt, dass hier noch 100 Jahre länger Menschen lebten als bislang angenommen. Da müsste man sich die Urkunden nochmal genauer ansehen“, berichtet Kürbis.