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Archäologischer Fund7500 Jahre alte „Prinzessin“ entdeckt

Ein Archäologen-Team stieß zwischen Halberstadt und Harsleben auf ein etwa 7500 Jahre altes Grab.

Von Jörg Endries 11.05.2017, 11:02

Halberstadt l Tausende von Jahren schlummern die Schätze im Boden, die das Grabungsteam um Projektleiterin Dr. Susanne Friedrich vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Halle in diesen Tagen zwischen Halberstadt und Harsleben ans Tageslicht befördert. Nur knapp einen Meter tief im Erdreich verborgen, legen die Archäologen eine Siedlung aus der Jungsteinzeit frei. Umrisse von Häusern, Keramik, Werkzeuge und ein besonderes Grab.

„Es ist eine kleine Sensation, was wir hier gefunden haben“, ist Susanne Friederich begeistert. Aus diesem Grund haben die Archäologen das Skelett im Grab liebevoll „kleine Prinzessin“ getauft. „Es ist der nördlichste Fundort aus dieser Zeit, wo wir aufgrund von Grabbeigaben Beziehungen der Jungsteinzeit-Menschen in den Mittelmeerraum belegen können“, berichtet Susanne Friedrich. Im mitteldeutschen Raum sei das erst das zweite Grab aus dieser Zeit und mit diesem Bezug.

Am Skelett, vermutlich eine Frau, haben die Archäologen kleine durchlochte Schneckenhäuser gefunden. „Diese Art lebt im Mittelmeer und kann nur durch Handel in den Vorharz gekommen sein“, so die Wissenschaftlerin. „Bisher haben wir fünf kleine Schneckenhäuser im Halsbereich und eine größere im Bereich der Beine entdeckt“, sagt Grabungsleiterin Ulrike Fuhrmann. Die Archäologen des Landesamtes vermuten, dass die bestattete Person eine wichtige Persönlichkeit gewesen sein muss. Nicht nur wegen des Schmucks.

Im Umfeld des Grabes ist das Team auf regelmäßig rechteckig angeordnete fünf Pfosten gestoßen, ein sechster wird noch vermutet. Diese können zu einem Grab­umbau, einer Grabkammer oder einer Totenhütte gehört haben. Also vielleicht doch eine Prinzessin aus der Jungsteinzeit. Eine genaue Datierung ist bislang noch nicht erfolgt, so Ulrike Fuhrmann. Das Grab dürfte aber aus der Jungsteinzeit oder in die darauffolgende Bronzezeit einzuordnen sein. Für genauere Untersuchungen soll das Grab als Block geborgen werden, damit es in Halle unter Laborbedingungen minutiös untersucht werden kann, betont Susanne Friedrich. Sie hofft, dass weiterer Schmuck gefunden wird.

400 Meter weiter südlich vom Grab sind Reste der Linien­bandkeramiker-Kultur entdeckt worden, der ersten jungsteinzeitlichen Kultur in dieser Region. Pfostenstellungen von Hausgrundrissen, Lehm­entnahmegruben zum Hausbau und Vorratsgruben. „Die Ackerbauern und Viehzüchter waren von der Balkanhalbinsel eingewandert und breiteten sich zwischen 5500 und 4900 vor Christus in weiten Teilen Mitteleuropas aus“, erklärt Susanne Friedrich.

Im Grabungsfeld wurde die typische Keramik mit eingeritzten Linienbändern gefunden. Eine Besonderheit sei, dass sogar rote Farbreste in einigen Scherben erhalten geblieben sind. „Dank der guten Bodenbedingungen“, so Susanne Friedrich. Auf dem weitläufigen ­Areal zwischen Halberstadt und Harsleben kann die Besiedlung von der Jungsteinzeit, über die Bronze- bis zur ­Eisenzeit nachgewiesen werden.

Bereits im Juli 2016 hat das Team um Susanne Friedrich eine Kultstätte aus der Jungsteinzeit ans Tageslicht befördert. Dabei handelte es sich um eine Kultstätte. Als „einmalig“ bezeichnete damals Susanne Friederich auch diesen Fund. Bei der Grabung war sogar eine Prozessionsstraße entdeckt worden. Die Trasse führte zum etwa 50 Zentimeter breiten Eingang der Kreisgrabenanlage. An der gegenüberliegenden Seite verlief sie weiter. Dies könnte ein Beleg dafür sein, dass die Anlage einst als Kultstätte diente.

„Wir waren erstaunt und überrascht, dass das Grabungsteam nur etwa zehn Zentimeter unter der Oberfläche auf die gut erhaltene Kreisgrabenanlage gestoßen ist“, sagte Susanne Friederich 2016. Obwohl die Fundfläche seit Jahrhunderten intensiv landwirtschaftlich genutzt wird, ist die runde Anlage völlig intakt geblieben. Der Hügel, der einst drei bis vier Meter hoch war, war in den Jahrtausenden abgetragen worden. Die Begrenzung, die aus Steinen oder Holzpalisaden bestand, war gut sichtbar und zeichnete sich als schwarzer Kreis im Boden ab, ebenso die Prozes­sionsstraße. Von der Bestattung waren nur wenige Skelettreste erhalten geblieben. Eine Hand voll Knochensplitter und ein Stück eines Beinknochens.

Der Bau der Ortsumgehung Halberstadt-Harsleben macht es möglich, dieses Fenster in die Vergangenheit zu öffnen. Die Grabungen haben bereits im Herbst 2015 begonnen. Seitdem werden auf einer Fläche von etwa 85.000 Quadratmetern insgesamt 18 Fundstellen ausgegraben. Voraussichtlich bis August diesen Jahres. Derzeit sind 25 Mitarbeiter des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie damit beschäftigt.

Der Bau der 7,4 Kilometer langen Ortsumgehung Halberstadt Harsleben soll Ende 2019 fertiggestellt sein, informierte Dirk Sauerhering von der Landesstraßenbaubehörde. Das erste Teilstück, es verläuft vom Parkplatz auf der B 79 hinter Harsleben vor dem Abzweig Westerhausen bis zur B 79 zwischen Halberstadt und Harsleben, soll bereits Ende 2018 befahrbar sein. „Damit wird Harsleben vom Durchgangsverkehr entlastet“, sagt Dirk Sauerhering.