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Baumfällungen Jungbäume ersetzen Rodungen

Kritik in Halberstadt: Viele Bäume werden zurzeit gefällt. Das Team Stadtgrün hält dagegen.

Von Jörg Endries 18.11.2016, 00:01

Halberstadt l Heiß klingelt sich derzeit das Diensttelefon von Roswitha Hutfilz. Die Teamleiterin Stadtgrün der Stadtverwaltung muss empörte Bürger beruhigen, die sich darüber aufregen, dass in diesen Tagen wieder zahlreiche Bäume im Stadtgebiet gefällt werden – unter anderem am Domplatz. „Der Vorwurf, dass angeblich die Kaminholzmafia am Werk sei, steht immer wieder im Raum“, berichtet Roswitha Hutfilz. Darüber ärgert sie sich.

„Wir kämpfen um jeden Baum des teils sehr alten und kostbaren Bestandes in der Kernstadt und in den Ortsteilen“, versichert die Fachfrau auf Volksstimme-Nachfrage. Es ginge nicht um Holzgewinnung bei den Fällarbeiten, sondern um die Pflege des Bestandes. Dazu gehöre leider auch, dass kranke Bäume gefällt werden müssen, weil sie eine Gefahr darstellen.

Vier Mitarbeiter der Stadtverwaltung Halberstadt haben ein wachsames Auge auf die grünen Riesen, berichtet ­Roswitha Hutfilz. Das Arbeits­pensum ist enorm, wenn man bedenkt, dass etwa 13 500 Bäume unter Aufsicht stehen. Die Kontrolle reicht von einmal pro Jahr bis zu alle drei Jahre. Das Intervall richtet sich nach dem Alter und dem Gesundheitszustand der Bäume.

Abgesehen von der täglichen Baumschau ist das Team von Roswitha Hutfilz alle vier bis sechs Wochen gemeinsam auf Tour. Jeder Mitarbeiter hat ein eigenes Fachgebiet, sodass die Problemfälle mit geballter Kompetenz betrachtet werden. Statt mit einem Stethoskop sind die „Baum-Doktoren“ mit Werkzeugen wie einem Hammer oder einem Handbohrer unterwegs, um den Gebrechen der Bäume auf die Spur zu kommen. Sie suchen nach möglichen Hohlräumen oder verfaultem Holz, bedingt durch Pilzerkrankungen. Häufig sind die Schäden von außen nicht zu sehen, betont die Fachfrau. Selbst nach dem Roden erzählen die Schnittstellen der Stümpfe meist nichts darüber, wie krank der Baum war. Weißfäule oder der Brandkrustenpilz zerstören viele Bäume von innen. Immer wieder gibt es Fälle, wo die Bäume nur noch auf dem äußeren Rand des Stammes stehen (kleines Foto links) – ein großes Sicherheitsrisiko und ein Fall für die Kettensäge.

Roswitha Hutfilz ist es wichtig, dass auch dann nicht im verschlossenen Kämmerlein die Entscheidung zum Roden fällt. Darüber befinden in öffentlicher Sitzung die Mitglieder des Stadtentwicklungsausschusses. Die Anzahl der zu fällenden Bäume schwankte in den zurückliegenden Jahren stark. 2010 waren es 41, 2011 70, 2012 69, 2013 70, 2015 38. 2016/2017 müssen 102 Bäume gerodet werden.

Nicht jeder Problemfall muss sofort radikal gelöst, also gefällt werden, stellt Roswitha Hutfilz fest. Es gibt Bäume, die seit vielen Jahren von einem Pilz befallen sind und trotzdem nicht gefällt werden müssen. Dazu gehört zum Beispiel eine über 100 ­Jahre alte Hainbuche in der Plantage. Am Stamm des Baumes wächst seit 1991 ein großer Pilz. Trotzdem geht von dem Baum, der unter strenger Kontrolle steht, keine Gefahr aus.

„Mit jeder Baumfällung ist eine Neuanpflanzung verbunden“, unterstreicht Roswitha Hutfilz. Entweder an der Stelle, wo der Altbaum stand. Ist das nicht möglich, dann auf einer Ausweichfläche. Das lässt sich die Stadt Halberstadt jedes Jahr 15 000 bis 20 000 Euro kosten. Beste Pflanzzeit ist der Herbst – also jetzt.

„Die Wurzeln der ­Jungbäume wachsen noch bis plus vier Grad und Sorgen um fehlende Feuchtigkeit muss man sich auch nicht machen“, sagt Roswitha Hutfilz. Vor einigen Tagen ist eine Lieferung junger Bäume eingetroffen, die in den kommenden Wochen von Mitarbeitern des Stadt- und Landschaftspflegebetriebes Stala gepflanzt werden. Insgesamt 85 Jungbäume im Alter von etwa sieben Jahren – darunter befinden sich Kastanien, Linden, Ahorn, Robinien, Obstbäume, Roteiche und Amberbaum.

„Die beiden letztgenannten Arten stammen aus Südeuropa und werden als Ergebnis des Klimawandels verstärkt bei uns angepflanzt“, so Roswitha Hutfilz. Arten wie die Sommerlinde, Bergahorn und Ulme werden als Jungbäume in Halberstadt überhaupt nicht mehr gepflanzt. Sie haben angesichts der zunehmenden Trockenheit und der heißen Sommer hier keine Chance mehr.