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Behinderte Keine Scheu vor dem Anderssein

Schüler des Martineums und Bewohner des Pia-Heimes erleben ein gemeinsames Sportfest in Dingelstedt - mit besonderen Erfahrungen.

Von Ramona Adelsberger 27.03.2017, 01:01

Dingelstedt l „Jaaa!“ Désirée Edel freut sich mit Karl-Heinz Dorendorf, der soeben mit voller Kraft einen Gummistiefel weit weg geschleudert hat. Freudig umarmt die Gymnasiastin den Mann im Rollstuhl, der beinahe ihr Großvater sein könnte. Karl-Heinz Dorendorf ist im St.-Pia-Heim von Dingel­stedt zu Hause und genießt sichtlich die Gesellschaft der jungen Mädchen vom Halberstädter Martineum, die zum Sportfest in das Dorfgemeinschaftshaus gekommen sind.

Mit insgesamt 46 Bewohnern des Pia-Heimes und 20 Gymnasiasten hat das gemeinsame Sportfest eine Neuauflage erfahren, nachdem die Premiere im vergangenen Jahr bei allen Beteiligten positiv angekommen war. „Unsere Bewohner konnten die Zeit bis zu diesem Tag kaum abwarten und wollten unbedingt alle wieder mit dabei sein“, erklärt Brigitte Schade vom Team der Betreuer des Sankt-Pia-Heimes.

„Auf der anderen Seite haben auch die Schüler dieser elften Klasse sofort alle zugestimmt, wieder einen Tag gemeinsam mit den Pia-Bewohnern zu verbringen“, sagt Klassenlehrer Olaf Beder, der seine Schüler gemeinsam mit der Ethik-Lehrerin Susanne Dannenberg begleitet.

Einer dieser Schüler ist der 16-jährige Jonas Hemtschak. Er hatte sich im vergangenen Jahr besonders um Thomas Bunke (53) vom Pia-Heim gekümmert. Als dieser nun „seinen Freund“ unter den Schülern entdeckt, ist die Freude bei beiden riesig.

„Dieses Sportfest ist eine schöne Sache und bestens geeignet, um Vorurteile abzubauen“, betont Jonas. Im vergangenen Jahr sei er vor seiner allerersten persönlichen Begegnung mit einem Menschen mit Handicap noch sehr unsicher gewesen. Davon sei er heute weit entfernt. Er könne sich sogar vorstellen, eine solche Arbeit mit Behinderten als seine beruflichene Perspektive zu sehen.

Désirée ist sogar schon einen Schritt weiter. Die 18-Jährige hat während eines Praktikums mit behinderten Kindern gearbeitet und sieht sich durchaus in einigen Jahren im sozialen Bereich. „Die Menschen sind so dankbar und stecken mit ihrer offenen Art einfach an“, sagt sie.

Zum ersten Mal in Dingel­stedt dabei ist Elisa Douchkova. Sie ist deshalb besonders gespannt gewesen, was sie an diesem Tag erwartet. „Ich bin bereits am Heim in das Auto gestiegen und habe die Rollstuhlfahrer begleitet, und schon die Fahrt war sehr lustig und hat jedes Eis gebrochen“, berichtet sie.

Das Sportfest beginnt mit einer gemeinsamen Erwärmung, dann folgen die Stationen wie Hindernisparcours, Büchsenwerfen, Eierlaufen und das beliebte Stiefelweitwerfen.

Zur Vorbereitung des Mittagessen fassen alle gemeinsam mit an und stellen lange Tische auf. Das Essen, Kartoffelsalat und Würstchen, wird aus der Küche des Pia-Heimes angeliefert. Nach der Mittagspause folgen noch Mannschaftsspiele und die Siegerehrung.

„Lange noch werden die Bewohner in ihren Wohngruppen über diesen Tag berichten“, sagt Betreuerin Brigitte Schade. Und auch für die Schüler des Martineums wird der Tag nachklingen. „Wir werden im Klassenverband und im Ethikunterricht das Erlebte gemeinsam auswerten“, betonen die Pädagogen Olaf Beder und Susanne Dannenberg.