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Bürgerentscheid Peter Köpke: "Ein Stück gelebte Demokratie"

Das Ergebnis des Bürgerentscheids in Halberstadt ist amtlich.

Von Sandra Reulecke 20.09.2016, 01:01

Halberstadt l „Viel ist es nicht, aber ein Anfang“, mit diesen Worten haben zwei Beisitzer des Wahlausschusses am Montagabend zwei Umschläge an Dieter Krone, den Vorsitzenden des Siedler-Fördervereins, übergeben. Der Inhalt: Jeweils 16 Euro. Das Geld, die Aufwandsentschädigung der Beisitzer, soll für die Sanierung der Diesterweggrundschule in der Sargstedter Siedlung verwendet werden.

Wenige Minuten zuvor wurde es vom Wahlausschuss bestätigt, das Votum des ersten Bürgerentscheids in der Geschichte Halberstadts. Mit 10 068 Ja-Stimmen hat sich die Mehrheit der Wähler einen Tag zuvor für die Sanierung und gegen die Schließung der Diesterwegschule entschieden. Mehr als 35 Prozent der Abstimmungsberechtigten Halberstadts haben sich am Bürgerentscheid beteiligt.

Bei den Eltern und Mitgliedern des Fördervereins der Schule herrscht seitdem Jubelstimmung. „Es sind viele Freudentränen geflossen“, berichtet Susanne Bremer. „Mein Kind ist mir um den Hals gesprungen und jubelte ‚Juhu, die Schule bleibt!‘.“ Der zweifachen Mutter sei eine enorme Last von den Schultern genommen worden, wie sie sagt. „Wir haben vorher so viel mobilisiert und auf den Weg gebracht“, sagt sie. „Wir sind froh, dass die Halberstädter so abgestimmt haben, das ist ein positives Zeichen für die Stadt.“ Tino Sawall, zweiter Vorsitzender des Fördervereins, ist ebenfalls erleichtert, dass das Ergebnis endlich feststeht. „Das Ganze ist tatsächlich in einen echten Wahlkampf ausgeartet, das haben wir so eigentlich nie gewollt.“

Mit ihren Plakaten, Flyern und Nachrichten im sozialen Netzwerk Facebook ist es den Schul-Befürwortern dennoch offensichtlich gelungen, sich durchzusetzen. Mit 10 068 Ja- zu 2160 Nein-Stimmen bei 34 433 Wahlberechtigten fiel die Entscheidung der Halberstädter insgesamt betrachtet eindeutig aus.

Bezogen auf die einzelnen Wahllokale stellt sich das Bild differenzierter dar. So dürfte es wenig überraschen, dass die Beteiligung im Bezirk der Diesterwegschule und im Ortsteil Sargstedt mit jeweils rund 64 beziehungsweise 62 Prozent überdurchschnittlich hoch ausgefallen ist. Lediglich 3,1 Prozent der Stimmzettel in der Diesterwegschule wurden mit einem Nein gekennzeichnet, in Sargstedt waren es rund sechs Prozent. Lediglich 18 Prozent der 2324 Briefwähler stimmten für die Schließung der Bildungseinrichtung.

Ganz anders im Schachdorf Ströbeck. Dort sprach sich die Mehrheit der 243 Wähler für die Schließung aus – fast 66 Prozent. Ähnlich in Langenstein. Fast 60 Prozent der Wähler sieht keine Zukunft für die Schule. Nicht einmal jeder Vierte der Abstimmungsberechtigten im Dorf gab sein Votum ab.

Noch weniger Interesse an der Grundschule in der Siedlung haben offenbar die Wahlberechtigten rund um die Wahllokale Reinhard- Lakomy-Schule, Albert-Schweitzer-Schule, Evangelische Grundschule und im Ortsteil Böhnshausen. Die Beteiligung lag dort jeweils deutlich unter 20 Prozent. Dagegen hat etwa jeder Zweite der 92 Abstimmungsberechtigten in Mahndorf sein Kreuz am Sonntag gesetzt. 31 von ihnen stimmten für die Schulsanierung.

Die muss nun auf den Weg gebracht werden. „Wir sind als Stadträte nun in der Pflicht, den nachfolgenden Generationen eine vernünftige Bildungslandschaft zu hinterlassen, die von der Krippe bis zur Grundschule gut strukturiert ist“, sagt Hans-Joachim Nehrkorn. Der Chef der Fraktion Die Linke sieht dabei sechs Grundschulen auf lange Sicht in Halberstadt. „Jeder der sechs Standorte hat ein Recht da­rauf, am Netz zu bleiben.“ Er sei „auch ein bisschen stolz auf die Halberstädter“, sagte Nehrkorn und äußerte den Vorschlag, die anstehenden Planungen, die Schaffung von passgenauen Fördermittelanträgen an externe Fachleute zu übergeben. Selbstkritisch merkte er an, dass der Stadtrat viele Jahre die Sanierung der Schule nicht verfolgt habe.

Ralf Barthel (Buko), Chef der Bürgerfraktion/FDP, nahm persönlich Stellung, da seine Fraktionsmitglieder sehr unterschiedliche Haltungen zum Thema haben. Er ziehe den Hut davor, dass der Verein sein Ziel erreicht habe, sagte er. Es bleibe aber spannend, wie es nun weitergeht.

Auch Jens Rehmann von der ÖDP-Fraktion ist gespannt, wie das weitere Verfahren läuft. „Der Souverän hat gesprochen. Ob das für Stadt gut ist, wird die Zukunft entscheiden.“ Und, er hofft, das sich nun der zum Teil deutlich unter die Gürtellinie zielende Tonfall in der Diskussion wieder entschärfe.

Seinen Stolz auf das Ergebnis äußerte Peter Köpke, Chef der Fraktion SPD/Bündnisgrüne. Dass so viele Leute für den Schulerhalt votiert haben, sei „ein Stück gelebte Demokratie“, sagte er. „Für uns als Stadträte ist nun Arbeit angesagt, wir müssen die Beschlüsse wieder dahingehend ändern, dass sechs Grundschulstandorte in der Stadt erhalten bleiben und zwar auf Dauer.“

Eine Sanierung im Bestand habe seine Fraktion schon vor längerer Zeit für die Schule gefordert. Der Neubau sei sicher eine zu teure Lösung. Eine Sanierung im Bestand und Schritt für Schritt erlaube zudem Eigenleistungen, die die Kosten senken. Sowohl Geld- oder Sachspenden sowie „Muskelhypotheken“ seien ja bereits angekündigt worden.